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Das Haus am Hyde Park: Roman (German Edition)

Das Haus am Hyde Park: Roman (German Edition)

Titel: Das Haus am Hyde Park: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monica McInerney
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nicht. An manchen Tagen ist sie kaum aus dem Bett gekommen. Und auf diesem Weg habe ich auch erfahren, was im College alles vorgefallen war. Einige Studenten waren nett zu ihr, aber andere waren wirklich grausam, Ella, so gemein. Und darum fanden Walter und ich, dass sie auch von dort eine Weile fort muss. Sie redet, wie du weißt, seit Jahren schon von London, daher haben wir gedacht, selbst wenn es nur für einen Monat wäre, würde ihr das wieder Selbstvertrauen geben, ein Gefühl von Unabhängigkeit. Natürlich haben wir ihr unter die Arme gegriffen. Wir haben das Hotel bezahlt und ihr eine Kreditkarte gegeben. Wir hatten sogar mit dem Gedanken gespielt, sie dort zu überraschen, erst recht, seit wir erfahren hatten, dass auch du in London bist, aber dann hat sie uns angerufen, und wir haben uns gestritten …«
    »Seit wann ist sie hier?«
    »Seit zehn Tagen. Wir hatten sie für eine Woche in einem sehr netten Hotel in Covent Garden untergebracht, danach sollte sie sich eine Wohnung suchen, vielleicht mit anderen Künstlern, damit sie Freunde findet. Sie hat hier mit ihren alten Freunden nichts mehr unternommen. Natürlich hätten wir die Miete bezahlt, bis sie eine Rolle gefunden hätte. Aber dann ist es zu einem großen Missverständnis gekommen, es ging um eine Fernsehshow. Ihr war etwas zugetragen worden, was nicht ganz den Tatsachen entspricht, aber sie wollte uns nicht zuhören, und das war das letzte Mal …«
    Ich musste Mum bitten, langsamer zu sprechen und mir alles zu erklären. Der Kabelsender hatte im Zuge seiner Marktforschung herausgefunden, dass Jess besonders beim männlichen Publikum beliebt war, und zwar aller Altersstufen. Daraufhin hatte der Sender das Format für eine wöchentliche Show entwickelt, unter dem vorläufigen Titel Jess lässt nichts anbrennen .
    »Natürlich haben wir Nein gesagt, Ella. Wenn du das Script gesehen hättest! Ehrlich, das war Softporno. Wir haben ihr nicht einmal davon erzählt. Wir hatten ihr auch nichts gesagt, als einmal ein Männermagazin auf uns zugekommen ist. Das ist das Letzte, was wir wollen, dass sie oben ohne posiert, ganz gleich, wie geschmackvoll das angeblich sein mag. Und die Show wäre auch nicht anders gewesen – zwar nicht oben ohne, aber es wäre nur um Sex gegangen. Aber Jess hat uns nicht zu Wort kommen lassen. Sie glaubt, sie hätte eine Comedy-Kochsendung bekommen mit Gesangs- und Tanzeinlagen. Sie war völlig außer sich und hat uns vorgeworfen, wir hätten sie verraten. Sie glaubt, wir hätten Nein gesagt, weil ich eifersüchtig auf sie wäre, und dann hat sie einfach aufgelegt. Wir haben gedacht, dass sie sich wieder beruhigt und zurückruft, doch das hat sie nicht. Seither hat sie auch Walters Kreditkarte nicht mehr benutzt, und aus dem Hotel ist sie ebenfalls ausgezogen. Sie hat uns weder gemailt noch getextet und auch nichts mehr auf Facebook gepostet. Absolute Funkstille. Anfangs haben wir gar nichts unternommen. Walter war der Meinung, dass sie ein wenig Freiraum braucht, Zeit, um ungestört nachzudenken, ohne dass wir sie auf Schritt und Tritt beobachten. Aber sie geht nicht an ihr Handy, und niemand im Hotel weiß, wo sie hingegangen ist, und sie hat doch überhaupt kein Geld.« Mum holte rasselnd Luft. »Wir machen uns solche Sorgen, Ella. Uns war klar, dass wir dich oder Lucas nicht um Hilfe bitten konnten, darum ist Charlie auf dem Weg nach London. Ich hatte Lucas nur angerufen, um zu fragen, ob er …«
    »Ich hole Charlie am Flughafen ab.«
    »Ella, das würden wir nie von dir erwarten. Wir wissen …«
    »Ich möchte aber. Bitte.« Ich erkundigte mich nach den Details. Charlie sollte in vier Stunden landen. »Ihr habt meine Handynummer, oder?«
    »Natürlich.«
    »Mum, mach dir keine Sorgen. Ihr ist sicher nichts passiert.«
    »Aber was, wenn doch, Ella? Was, wenn doch?«
    Als wir uns verabschiedeten, weinte Mum noch immer.
    Lucas wusste ja bereits das meiste. Mum hatte ihn gebeten, für Charlie ein Hotel zu buchen. »Aber er kann selbstverständlich hier wohnen«, hatte er erwidert.
    Mum hatte auch gefragt, ob Lucas zu dem Hotel in Covent Garden gehen und persönlich mit der Managerin reden könne, damit er vor Charlies Ankunft möglichst viel in Erfahrung brachte.
    »Ich komme mit«, sagte ich.
    Als Lucas seinen Mantel holte, fiel mir Aidans Brief ein. Das war nicht der richtige Moment.
    Wir nahmen die Tube und gingen zu Jess’ Hotel. Es war relativ bekannt, sagte Lucas, weil dort zahlreiche Schauspieler und

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