Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Haus am Hyde Park: Roman (German Edition)

Das Haus am Hyde Park: Roman (German Edition)

Titel: Das Haus am Hyde Park: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monica McInerney
Vom Netzwerk:
lügen, Jess, okay?«
    Da ist mir natürlich klar geworden, was er meinte. Ben hatte den Champagner aus dem Hotel gestohlen. Und dann habe ich sein Badezimmer vor mir gesehen. All die schönen Handtücher. Die edle Seife. Mir ist eingefallen, was er in den Schränken hat, all die Kekse und die Schokolade. Er hat lauter Sachen aus dem Hotel. »Aber das ist Diebstahl«, habe ich gesagt.
    »Nein, ist es nicht«, hat Ben erwidert. »Das ist ein kleiner Aufschlag auf meinen mickrigen Lohn.«
    »Aber eine Flasche hiervon kostet beinahe fünfzig Pfund.«
    »Weiß unsere kleine Prinzessin«, hat sich Zach dann eingemischt. »Hat Jessie darin gebadet, als sie noch von Daddy ausgehalten wurde?«
    Ich habe gar nicht reagiert. Ich hatte für mich beschlossen, die beste Strategie bei Zach ist, ihn zu ignorieren.
    »Du kannst selbstverständlich Wasser trinken, Jess«, sagte Ben. »Wenn dir gestohlener Champagner so zuwider ist.«
    Das hätte ich auch fast getan, aber hätte ich stocknüchtern danebensitzen sollen, während sich die beiden Jungs betrinken? Also habe ich mein Glas gefüllt. Und es war wundervoll, wirklich, wie es geperlt und nach Honig und Blumen geschmeckt hat, einfach köstlich. Und danach war ich viel glücklicher, wenn auch nur für einen kurzen Augenblick. Wir haben uns alle entspannt, Zach hat mit seiner Stichelei aufgehört, ich habe ein paar Witze gemacht, die beiden haben gelacht, besonders Zach, und dann habe ich bei mir gedacht, vielleicht ist er gar nicht mal so übel, vielleicht liegt es ja an mir, weil ich bei unserer ersten Begegnung so aufgeregt und wütend war. Vielleicht habe ich mich deshalb nicht mit ihm verstanden. Aber da war alles gut, wir haben Musik aufgelegt, ich habe dazu gesungen, und die beiden haben gesagt: »Wow, Jess, du hast echt eine tolle Stimme. Sing doch noch was.« Und das war nicht sarkastisch gemeint. Also bin ich aufgestanden und habe einen richtigen Song performt, und sie haben applaudiert, und es hat sich so gut angefühlt, und ich habe gedacht, ich kann es doch hier schaffen. Ich lasse mich von ein paar miesen Auditions nicht entmutigen. Ich will das hier wirklich.
    Dann hat Zach die zweite Flasche aufgemacht und Ben einen Korb mit Essen geholt, auch das aus dem Hotel, lauter Sachen aus der Mini-Bar wie Schokolade, Wasabi-Snacks und Erdnüsse, aber ich hatte solchen Hunger, dass ich von allem was gegessen habe, obwohl es gestohlen war. Und wir haben geredet und getrunken, und es war okay, beinahe richtig gut, aber dann habe ich meine Therapeutin erwähnt, und danach ist es wirklich schräg geworden. Zach hat sich sofort auf das Wort gestürzt – »Oh, haben Mami und Papi ihre kleine Prinzessin zu einem Psychiater geschickt? Wieso denn? Hat dir das Pony nicht gefallen, das du zum Geburtstag bekommen hast? War das Baumhaus zu klein? Du wolltest sicher eins mit zehn Zimmern, nicht mit acht …«
    Ich rede über diese Zeit nicht, niemals. Es macht mich viel zu fertig, doch der Champagner und die letzten Tage und dann noch Zachs höhnisches Gesicht, das war echt zu viel, und darum habe ich es ihm gesagt, auf ziemlich schreckliche Weise. Ich habe einfach die Wahrheit gesagt. »Nein, Zach, ich musste zu einer Therapeutin, weil ich meinen kleinen Neffen getötet habe.«
    Da hat Zach die Klappe gehalten und Ben gesagt: »Das ist nicht komisch, Jess.« Und an dem Punkt hätte ich besser Schluss gemacht. Ich hätte so tun sollen, als wäre das ein sehr geschmackloser Witz gewesen, und dann das Thema wechseln sollen, aber ich hatte es gesagt, und das war das erste Mal nach langer Zeit, dass ich es ausgesprochen hatte. Da konnte ich mich nicht mehr bremsen und habe alles erzählt.
    Es war, als ob sich all die Male, all die unerzählten Worte in mir aufgestaut hätten. Es war wie eine Flut, es ist alles aus mir rausgebrochen, in allen Einzelheiten, alles, was an diesem Nachmittag im Park geschehen ist. Ben und Zach waren schockiert, wirklich schockiert, aber sie haben zugehört. Und darum habe ich einfach weitergeredet. Ich habe ihnen alles erzählt, wie Felix auf dem Zaun balanciert ist, der entsetzliche Moment, als er gefallen ist, als ich Aidan angerufen habe und der Notarzt gekommen ist, und wir alle wussten, es war schon zu spät. Ich habe ihnen auch von der Beerdigung erzählt, wie Ella geweint hat, als der Sarg aus der Kirche getragen wurde, es war so herzzerreißend, ich habe niemals etwas so Trauriges gehört. Es war ein Wehklagen, sie konnte nicht mehr aufhören – und

Weitere Kostenlose Bücher