Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Haus am Hyde Park: Roman (German Edition)

Das Haus am Hyde Park: Roman (German Edition)

Titel: Das Haus am Hyde Park: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monica McInerney
Vom Netzwerk:
Minute legte er den Hörer auf. »Es tut mir leid, Ms O’Hanlon. Mr O’Hanlon ist nicht in seinem Zimmer. Möchten Sie eine Nachricht hinterlassen?«
    Ich atmete tief aus. Vor Anspannung? Erleichterung? Ich musste also wiederkommen. Nächstes Mal wäre ich besser vorbereitet. Während ich noch überlegte, welche Nachricht ich Aidan hinterlassen sollte, beugte sich der Rezeptionist vor und schaute intensiv auf seinen Monitor. »Entschuldigen Sie mich, Ma’am. Einen Augenblick bitte.«
    Er ging in ein kleines Büro. Hinter mir ertönte ein Seufzen, ein ungeduldiger Gast, der einchecken wollte. Der Rezeptionist am nächsten Schalter rief die Dame zu sich. Ich blieb an meinem Platz.
    Der Angestellte kehrte mit einem gelben Umschlag zurück. »Ich muss mich entschuldigen, Ms O’Hanlon. Ich habe den Vermerk vorhin nicht gesehen. Mr O’Hanlon hat diesen Umschlag für Sie dagelassen. Würden Sie hier bitte unterschreiben?«
    Der Umschlag war DIN-A4 groß und knapp drei Zentimeter dick. »Was ist das?«
    »Das weiß ich leider nicht. Wenn Sie hier unterzeichnen und den Erhalt bestätigen würden?«
    »Und keine weitere Nachricht? Kommt er später wieder?«
    Der Rezeptionist lächelte den Wartenden in der Schlange hinter mir zu, um ihnen zu bedeuten, dass er sich sofort um sie kümmern würde. »Ich gehe davon aus, dass sich die Nachricht in dem Umschlag befindet, Ms O’Hanlon. Dürfte ich Sie bitten, hier zu unterschreiben?«
    Ich wandte mich um. Hinter mir stauten sich die Gäste. »Natürlich. Verzeihung.«
    Ich unterschrieb. Ich hatte noch so viele Fragen – wann Aidan diesen Umschlag deponiert hatte, was er dazu gesagt, wie er ausgesehen hatte –, doch der Rezeptionist war bereits mit dem nächsten Gast beschäftigt. Ich trat zur Seite und überlegte, was ich tun sollte.
    Eine weitere Reisegruppe traf ein. Es wurde immer lauter. Ich wich zurück, in eine Nische des nun sehr geschäftigen Foyers. Ich hatte vier Tage gebraucht, um Aidans Brief zu öffnen. So viel Zeit durfte ich mir diesmal nicht nehmen. Ich würde gleich zu Lucas gehen und …
    Dort auf Jess treffen. Sie hatte Charlie vielleicht schon angerufen und sich ein Taxi genommen. Sie saß womöglich schon am Küchentisch und trank mit Lucas und Charlie Tee …
    Ich konnte nicht zu Lucas. Noch nicht.
    Etwas abseits stand ein leerer Sessel. Ganz allein, in einer Ecke, als ob ihn eine Reinigungskraft aus dem Weg geschoben hätte. Das war mein Platz.
    Ich ging durch das Foyer und hielt den Umschlag dabei sehr fest. Der Inhalt fühlte sich vertraut an, wie ein Manuskript von hundert oder mehr Seiten. Was konnte das sein? Ein Schreiben von seinem Anwalt? Die Scheidungspapiere? Eine Auflistung der aufzuteilenden Vermögenswerte?
    Wir hatten keinen gemeinsamen Besitz. Wir hatten uns nie ein Haus gekauft. Wir hatten uns entschieden, auch weiterhin zu mieten. Wir hatten ein Auto besessen, doch das hatte ich in Canberra gelassen. Aber darüber hinaus? Bücher? Möbel? Küchengeräte? Ich wusste nicht einmal, wo das alles war.
    Du bist einfach weggelaufen und hast ihn im Stich gelassen, Ella.
    Falls das ein Anwaltsschreiben war, würde ich mich mit allem einverstanden erklären. Ich würde Aidan alles geben. Was immer er wollte. Und wo immer die Sachen waren, ich würde für die Fracht nach Washington bezahlen, falls er sich nicht längst darum gekümmert hatte. Ich würde es ihm so einfach wie möglich machen, damit er ein neues Leben beginnen konnte. Ich würde unterschreiben, was immer es zu unterschreiben gab, und dem Rezeptionisten die Papiere zurückgeben. Wir mussten uns nicht einmal gegenübertreten.
    Der Sessel gewährte mir das größtmögliche Maß an Privatheit, das eine überfüllte Lobby bieten konnte. An der einen Seite stand eine große Grünpflanze, auf der anderen ein kleiner Tisch. Als ich den Umschlag öffnen wollte, erschien eine Kellnerin. »Darf ich Ihnen etwas bringen, Ma’am?«
    Ich war kein Hotelgast. Ich konnte hier nicht einfach sitzen. »Ein Kännchen Tee, bitte.«
    Ich entschied mich, auf den Tee zu warten. Noch lag der Umschlag verschlossen auf meinem Schoß. Ich musste mich zwingen, ruhig zu bleiben. Zu atmen. Zu beobachten.
    Ich schaute zu den Aufzügen. Der mittlere Aufzug öffnete sich. Heraus kam Aidan.
    Das konnte nicht Aidan sein.
    Es war Aidan.
    Es war Aidan.
    Er war in Begleitung von zwei Frauen. Frauen in Hosenanzügen. Sie blieben vor den Aufzügen stehen. Eine sagte etwas. Aidan hörte zu, dann sprach er. Daraufhin

Weitere Kostenlose Bücher