Das Haus am Hyde Park: Roman (German Edition)
sagte Dad. »Wir werden deine Business Devils sein.«
Ich habe eine Weile gebraucht, aber dann habe ich kapiert, dass er Business Angels sagen wollte, meine Förderer und Gönner. Dads Englisch ist wirklich gut. Von seinem Problem mit dem R mal abgesehen, das spricht er meistens wie ein W aus, aber das ist so was wie ein Sprachfehler, und außerdem klingt das total süß, doch manchmal bringt er echt was durcheinander. Und dann haben wir während der restlichen Heimfahrt ein tolles Gespräch darüber geführt, wie er und Mum mich unterstützen könnten. Es ist SO aufregend! Ich will los, sobald es geht. Warum in Australien rumhängen und Zeit vergeuden, wenn in London die Theaterwelt auf mich wartet!
Also, ich habe es ja gesagt, das war vielleicht ein Tag! In ein paar Wochen – das kommt darauf an, was es für Flüge gibt, sagt Dad, er will sich nämlich auch darum kümmern, danke, Dad!!!!!!!! – heißt es dann, Achtung West End: Hier kommt Jessica Baum!
Für heute erst mal alles Liebe,
Jess xxxxoooo
Kapitel 4
Als ich zum Frühstück nach unten ging, war es schon Mittagszeit. London lag in einem leichten Nebel. Im Haus war es ganz still. Vielleicht dämpfte aber auch die Unordnung den Schall. Ich sah in den Zimmern im Erdgeschoss nach. Leer. Ich stellte mich auf den Treppenabsatz und lauschte. Auch aus den oberen Zimmern kam kein einziges Geräusch. Offenbar waren alle bei ihren Vorlesungen oder Schülern. Ich hatte das Haus für mich und war erleichtert.
Ich konnte mich nicht erinnern, wann ich zuletzt so lange und so tief geschlafen hatte. Vielleicht wäre das die Lösung gewesen, um dem nächtlichen Horror der vergangenen zwanzig Monate zu entfliehen. Permanenter Jetlag.
Im Anschluss an unsere Unterhaltung, nachdem ich Lucas versprochen hatte, über sein Jobangebot nachzudenken, hatte er mich in das Zimmer im zweiten Stock gebracht, in mein Lieblingszimmer. Glücklicherweise war es ungenutzt. Wenn mein Vertrag in Australien eine Woche früher oder später ausgelaufen wäre, hätte ich in ein Hotel gehen oder auf einer Matratze unter dem Dach schlafen müssen.
»Hast du Hunger, Ella? In einem der Schränke findet sich bestimmt irgendetwas Essbares.«
Ich hatte gelächelt. Lucas wusste nie, ob es im Haus etwas zu essen gab. Aber er hatte stets große Vorräte an edelstem Bürobedarf. »Alles bestens, Lucas, danke. Und du brauchst dich nicht um mich zu kümmern. Du hast doch sicher viel zu tun.«
Er hatte nur kurz gezögert. »Ehrlich gesagt, ja. Ich sitze gerade an einem wichtigen Aufsatz.«
Es war eine solche Erleichterung, in seiner Gegenwart zu sein. Er gab mir den nötigen Freiraum und drängte mich nicht zu reden. »Ich kann für mich selbst sorgen. Glaub mir.«
»Fühl dich wie zu Hause. Der Schlüssel liegt auf dem Tisch in der Eingangshalle. Und das mit dem Job hat keine Eile. Denk in Ruhe darüber nach. Das Zimmer ist deins, so lange du willst, auch wenn du mein Angebot nicht annehmen solltest.« Er war noch einmal stehen geblieben. »Du hast deinen Laptop dabei, oder?«
Ich hatte genickt.
»Im ganzen Haus ist Wi-Fi. Highspeed. Kostenlos.«
Ich hatte gelächelt. »Danke, Lucas.«
»Schön, dass du wieder da bist, Ella«, hatte er gesagt und dann still das Zimmer verlassen.
Nun duschte ich, zog mich an und verließ das Haus. Ich ging über die Bayswater Road in den Hyde Park. Ich musste mir die Beine vertreten, ich brauchte frische Luft und musste mich daran gewöhnen, dass ich wieder in London war und nicht mehr in Margaret River oder anderswo in Australien.
Bei meinem letzten Besuch im Park war Aidan an meiner Seite gewesen. Wir hatten zum Abschied, vor unserem Umzug nach Australien, einen letzten Spaziergang gemacht. Und uns auf alles gefreut, was vor uns lag: sein neuer Job, unsere Hochzeit, die neue Stadt. Dass wir vom Winter in den Sommer kamen. Wir hatten uns so beschenkt gefühlt, so …
Nicht!
Beobachten.
Ablenken.
Ich konzentrierte mich. Ich sah mich um. Ich listete im Geiste alles auf, was typisch englisch war. Graue Eichhörnchen. Walnussbäume. Schwarze Taxen und Doppeldeckerbusse. Fußgänger mit Schal, Stiefeln und Hut, im Februar …
Ich ging weiter in Richtung Marble Arch. Als ich zur Oxford Street kam, herrschte größeres Gedränge: Touristen, Passanten mit Einkaufstüten, Büroangestellte, Frauen mit Burka, Teenager mit Minirock. Ich kam an Boutiquen vorbei, an Kaufhäusern, an Zeitungsverkäufern, die ihre Times , den Guardian und andere Blätter ordentlich
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