Das Haus am Hyde Park: Roman (German Edition)
langweilig wie Canberra, hatten sie befunden. Auch so ein Kaff. Australiens Antwort auf Glasgow. Als wir aufgebrochen waren, nachdem wir unsere Mäntel angezogen und bezahlt hatten, hatte sich Aidan an die Kellner gewandt und ihnen in fehlerfreiem Italienisch für den unvergesslichen Abend gedankt und ergänzt, dass er sich sehr darauf freue, all seinen italienischen Freunden von dem Abend zu berichten.
Ich sah die entsetzten Mienen wieder vor mir.
Wir hatten draußen so sehr lachen müssen, dass wir nicht mehr weitergehen konnten. Dann hatte mir Aidan gestanden, dass er noch immer hungrig war. Mir war es ebenso ergangen. Und so hatten wir bei McDonald’s noch einen Burger gegessen. Danach waren wir nach Hause gegangen, obwohl uns Mum ausdrücklich bis Mitternacht freigegeben hatte. Es war halb zehn. Felix war noch wach. Sie habe ihn in sein Bettchen gelegt, hatte Mum gesagt, aber dann habe er geweint und sie ihn auf den Arm genommen. Sie hatte so ertappt ausgesehen, uns war sofort klar gewesen, dass sie nicht einmal versucht hatte, Felix ins Bett zu bringen. Wenn es nach ihr gegangen wäre, wäre er rund um die Uhr wach geblieben.
Aidan beschrieb Lucas’ Überraschungsbesuch, zeitgleich mit Charlies. Er beschrieb den gemeinsamen Nachmittag, jenen sonnigen Nachmittag, an dem wir so viel gelacht hatten und ich so glücklich gewesen war und ein Foto von allen gemacht hatte.
Er erinnerte sich an jeden Moment, an den ich mich noch erinnerte.
Er beschrieb das Fest zu Felix’ erstem Geburtstag. Ich hatte einen orangefarbenen Kuchen gebacken, in Form eines schlafenden Fuchses, der einem »F« ähneln sollte. Für Felix und für Fox. Es war etwas Bohnenartiges daraus geworden. Mein Talent im Backen stand meinem Talent im Stricken in nichts nach.
Er beschrieb das erste Mal, als Felix in seinem Säuglingsgebrabbel »Ich bin Felix O’Hanlon!« gerufen hatte. Felix’ Begeisterung für Besen und Staubsauger. Dass er eine ganze Stunde lang einen Besen vor sich her schieben konnte und sehr wütend wurde, wenn wir versucht hatten, ihm den wegzunehmen.
Er beschrieb Felix’ Lachen. Das Lachen, von dem alle gesagt hatten, es klinge genau wie meins.
Er beschrieb, wie müde wir oft waren. Dass wir immer noch ein wenig fassungslos darüber waren, Eltern zu sein. Dass uns jemand ein Baby anvertraut hatte. Aber er beschrieb auch, wie viel Freude uns all das gemacht hatte. Wie überrascht wir gewesen waren, dass ein Baby nicht nur Schlafmangel, Erschöpfung und Chaos bedeutete, sondern auch eine wundervolle Unterhaltung bot. Wir hatten Felix stundenlang nur angesehen, jede Veränderung in seiner Mimik bestaunt. Wie er gähnte. Sich streckte. Krabbelte. Sich hochzog. Die ersten vorsichtigen Schritte wagte.
Aidan erinnerte sich an vieles, was ich vergessen hatte.
Er beschrieb die eine Woche, in der Felix nur grüne Lebensmittel essen wollte. Brokkoli, grüne Bohnen, grüne Trauben. Davor hatte er klaglos fast jedes Obst und Gemüse gegessen – Kürbis, Süßkartoffeln, normale Kartoffeln, Möhren. Aber aus irgendeinem Grund durfte es in dieser Woche nur grünes Essen sein. Er hatte bitterlich geweint, als wir versucht hatten, ihn mit einer Banane zu füttern. Und dann, eines Morgens, exakt sieben Tage später, hatte er hingebungsvoll ein wenig gedünsteten Apfel gegessen, und zum Mittagessen eine ganze Schüssel pürierter Möhren mit Kürbis. Der Arzt hatte so etwas noch nie gehört. Wir hatten uns köstlich amüsiert. Da schlägt das irische Blut durch, hatte Aidan gesagt. Der Hang zu Grün.
Das hatte ich vergessen.
Aidan beschrieb den Tag, an dem Lucas das erste Paket voller Bücher geschickt hatte. Er beschrieb Felix’ liebstes Spielzeug, seine liebsten Kleider, Lieder, Fernsehsendungen.
Er beschrieb mich.
Er schrieb, dass es für ihn nichts Schöneres gegeben hatte, als mich zum Lachen zu bringen. Weil er mein Lachen so sehr liebte. Zuerst würden meine Augen leuchten, dann würde ich lächeln und schließlich lachen. Er schrieb, wie gern er mir beim Redigieren zugesehen hatte. Dass ich mir immer auf die Lippe biss, wenn ich mich konzentrieren musste. Dass ich mit einem Stift gegen mein Kinn klopfte. Das war mir nicht bewusst gewesen.
Er beschrieb, wie gern er mit mir zusammen war. Mit mir geredet hatte. Wie klug ich war. Wie sanft. Wie geduldig und liebevoll ich mit Felix umgegangen war. Wie schön er mich fand. Wie gern er mich in dem roten Kleid gesehen hatte, das ich in einem Secondhandshop entdeckt hatte. Wie
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