Das Haus am Hyde Park: Roman (German Edition)
sehr er mein Parfum mochte. Dass ich mein Haar auf verschiedene Weise hochstecken konnte, es ihm aber am liebsten war, wenn ich es offen trug.
Er beschrieb unsere Familien. Wie gern er mir und Charlie am Telefon zugehört, wie gern er zugesehen hatte, wenn ich mit Charlies Kindern in Boston skypte. Die Geschenke, die ich ihnen geschickt hatte, nicht nur zu Weihnachten oder zum Geburtstag, sondern das ganze Jahr über, Pakete voller Kleider und Bücher und Spielsachen, die Charlies Kinder immer erst geöffnet hatten, wenn sie mit mir skypten, damit ich ihnen beim Auspacken zusehen konnte.
Ich hatte vergessen, dass sie das getan hatten.
Er beschrieb, dass wir eine große Familie geplant hatten. Die Nacht, in der wir uns entschieden hatten, es mit einem weiteren Baby zu versuchen. Wie sehr wir gehofft hatten, dass es schnell geschehen würde. Dass wir überzeugt gewesen waren, Felix würde ein toller großer Bruder. Wenn es uns nur gelingen würde, ihn lange genug vom Besen wegzulocken, damit er mit seinem kleinen Bruder oder seiner kleinen Schwester spielen konnte.
Er beschrieb den Tag, an dem Felix gestorben war.
Es stand alles da, all die Einzelheiten, die ich mir so oft hatte erzählen lassen. Er beschrieb, wie er versucht hatte, mich anzurufen, nachdem Jess ihn angerufen hatte. Wie ich im Taxi zum Krankenhaus gekommen war. Er beschrieb das Treffen mit dem Priester, dem Bestatter. Dass die Beerdigung warten musste, bis der Obduktionsbericht vorlag, was nach einem Unfalltod üblich war. Er beschrieb, wie er Charlie am Flughafen abgeholt hatte. Die Beerdigung. Den Friedhof. Wie es war, als der winzige Sarg in die Erde hinabgelassen wurde. Wie wir, nachdem uns alle allein gelassen hatten, uns zwei allein mit unserem Felix, an seinem Grab, fast eine Stunde lang dort gestanden, uns an den Händen gehalten und geweint hatten.
Diese Erinnerung hatte ich blockiert.
Er beschrieb die Tage danach, als Mum und Walter und Jess wieder nach Melbourne geflogen waren. Wir beide plötzlich wieder ganz allein waren. Als ich nur geweint hatte. Als ich Aidan nur immer wieder gedrängt hatte, mir alles in allen Einzelheiten zu erzählen. Er beschrieb, wie ich ihn angeschrien hatte, als er versucht hatte, Felix’ Spielsachen in einen Karton zu packen.
Er beschrieb den Tag, an dem ich ihn verlassen hatte, fünf Wochen nach der Beerdigung. Er war von der Arbeit nach Hause gekommen und hatte in dem Moment, als er den Schlüssel ins Schloss steckte, gewusst, dass ich fort war, noch bevor er meinen Zettel und meinen Schlüssel auf der Küchenbank gesehen hatte.
Er beschrieb die Wochen und Monate danach. Wie Mum nach Canberra gekommen war und ihm geholfen hatte, nicht nur Felix’ Zimmer, sondern auch die anderen Zimmer auszuräumen. Er beschrieb, wie er nach Sydney geflogen und zu dem Restaurant gegangen war, um mit mir zu reden.
Er beschrieb seinen Umzug nach Sydney. Die Arbeit dort. Er hatte sie gehasst. Er beschrieb Besuche bei Mum und Walter in Melbourne. Wie er Jess getroffen hatte. Wie schlecht es ihr gegangen war. Er beschrieb, wie Mum herausgefunden hatte, dass Jess sich selbst verletzte. Dass es angefangen hatte, als sie sich Felix’ Namen auf das Bein hatte tätowieren lassen, genau an der Stelle, an die sein Kopf gereicht hatte.
Ich erinnerte mich, dass sie ihn immer gemessen hatte. Das hatte sie jedes Mal getan, wenn sie ihn sah.
Von dem Tattoo hatte ich nichts gewusst.
Er beschrieb, dass er mir Briefe geschickt, mir gemailt, mir Nachrichten auf dem Anrufbeantworter hinterlassen hatte. Und niemals Antwort erhalten hatte.
Er beschrieb den ersten Jahrestag von Felix’ Tod. Er hatte ihn mit Mum und Walter und Jess verbracht.
Das hatte ich nicht gewusst.
Ich war zu dem Zeitpunkt in Westaustralien gewesen. Ich hatte an dem Tag mit niemandem aus meiner Familie gesprochen. Nicht einmal mit Charlie. Ich hatte gedacht, dadurch würde es nur noch schlimmer.
Er beschrieb, wie ihn sein Freund aus dem College kontaktiert und ihm einen Job in Washington angeboten hatte.
Er beschrieb Washington. Sein neues Apartment. Die Arbeit.
Er schrieb von mir.
Wie sehr ich ihm fehlte. Dass er jeden Abend mit mir sprach. Dass er mit mir über Felix sprach. Dass er sich jeden Abend beim Schlafengehen wünschte, ich läge neben ihm.
Er beschrieb, wie schuldig er sich fühlte, tagein, tagaus. Dass sein einziger Wunsch war, das Geschehene zu ändern. Dass gerade das aber nicht ging. Dass er das niemals wiedergutmachen konnte. Dass er so
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