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Das Haus am Hyde Park: Roman (German Edition)

Das Haus am Hyde Park: Roman (German Edition)

Titel: Das Haus am Hyde Park: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monica McInerney
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Australien. Unsere ersten Tage in Canberra. Unsere Hochzeit.
    Er beschrieb den Abend, an dem ich ihm gesagt hatte, dass ich schwanger sei. Was er empfunden hatte, als ich mit dem Schwangerschaftstest ins Schlafzimmer gekommen war und ihm gesagt hatte, dass da ein blauer Streifen war. Dass ich einen zweiten Test gemacht hatte. Einen dritten. Und er nur immer wieder sagen konnte: »Heilige Scheiße. Heilige Scheiße !«
    Er beschrieb meine Schwangerschaft. Dass er mich schon immer für die schönste Frau der Welt gehalten hatte, ich nun aber noch viel schöner gewesen wäre.
    Er beschrieb den Tag, an dem Felix auf die Welt kam. Die Fahrt zum Krankenhaus. Wie er an meinem Bett gesessen hatte, als die Wehen immer heftiger, immer schmerzhafter wurden. Wie hilflos er sich gefühlt hatte, als ich mich vor Schmerzen gewunden hatte. Wie nutzlos er sich vorgekommen war, als er mir Eisstückchen gegeben und den Rücken massiert hatte. Dass er sich gewünscht hatte, er könnte mir den Schmerz wenigstens halb, nein, ganz abnehmen. Wie verzweifelt er gewesen war, als man mich in den Kreißsaal gerollt hatte, wie wütend, als ihm die Krankenschwester gesagt hatte, er müsse draußen warten. Dass er am liebsten alle anderen rausgeworfen hätte, als sie ihn endlich zu mir gelassen hatten. Wie er hinter dem Bett gestanden und meine Hände gehalten hatte, dass er bei meinen markerschütternden Schreien am liebsten gerufen hätte: »Tun Sie doch etwas, helfen Sie ihr doch endlich, bitte, jetzt, sofort!« Dass es ihm vorgekommen war, als hätten die Wehen tagelang, wochenlang gedauert, dass diese fünf Stunden die schlimmste Zeit seines Lebens war, weil er mir nicht helfen konnte. Er hatte zusehen müssen, doch dann war plötzlich alles auf einmal passiert. Unruhe war ausgebrochen, es gab ein Kommen und Gehen, ich hatte furchtbar geschrien, dann war ein weiterer Schrei erklungen, und eine Krankenschwester, oder auch die Hebamme, hatte gesagt: »Es ist ein Junge!« Und dann war Felix da, mit seinem ungewöhnlich dichten tiefschwarzen Haar. Und wir hatten gelacht. Wir hatten gelacht, als ob seine Geburt das Lustigste gewesen wäre, was wir je erlebt hatten.
    Ich hatte ganz vergessen, dass wir gelacht hatten.
    Er beschrieb, wie aus uns zweien drei geworden waren. Wie es war, mit dem winzigen Baby das Krankenhaus zu verlassen. Wie wir in der ersten Nacht in unserem Bett gelegen hatten, nachdem Mum und Walter und Jess wieder im Hotel waren. Ich hatte auf der einen Seite gelegen, er auf der anderen, Felix in der Mitte. Wir waren beide so erschöpft und so glücklich und wie in einem Schockzustand gewesen. Natürlich hatten wir gewusst, dass ich ein Kind erwartete, natürlich hatten wir gewusst, dass am Ende einer neunmonatigen Schwangerschaft ein Kind kam, aber wir waren noch immer fassungslos. Mein Gott, sieh nur, da ist er.
    Er hatte unsere Worte von jenem Abend aufgeschrieben.
    »Halt dich fest«, hatte ich gesagt. »Jetzt geht’s rund.«
    Auch das hatte ich vergessen.
    Er beschrieb Felix’ erste Woche, das erste Lächeln, die ersten Monate, die ersten Zähne, ersten Schritte.
    Er beschrieb Felix’ Familie, seine Oma, Walter, Jess, Charlie und dessen Familie in Boston.
    Er beschrieb uns.
    Sich und mich. Unser Leben. Unsere Gespräche. Unsere Arbeit – sein Job, mein Job. Felix war der Mittelpunkt unseres Lebens geworden, aber wir hatten immer noch ein eigenes Leben. Es stand alles dort, welche Bücher ich redigiert hatte, nachdem die Wirrnis der ersten Wochen hinter mir lag. Welche Anekdoten ich ihm über meine Autoren erzählt hatte. Er wusste alles noch.
    Er beschrieb unseren ersten Hochzeitstag. Mum und Walter waren nach Canberra gekommen und hatten auf Felix aufgepasst. Wir waren in ein schickes und völlig überteuertes italienisches Restaurant gegangen, wo die Portionen klein und die Kellner arrogant waren. Sie hatten ständig unseren Tisch belagert und auf Italienisch miteinander geflüstert. Sie hatten nicht bemerkt, dass wir sie hören konnten, und wussten nicht, dass Aidan Italienisch sprach. Er hatte mir alles, ebenfalls im Flüsterton, übersetzt. Die Kellner hatten sämtliche Gäste beleidigt, auch uns. Ich sei zu mager, hatte einer befunden. Ich wäre viel attraktiver, wenn ich mehr auf den Rippen hätte. Aus Aidan hatten sie einen Schotten gemacht. Einer der Kellner war einmal in Glasgow gewesen und hatte die Stadt gehasst. Das letzte Kaff. Unsere Bestellung hatte ihnen auch nicht gefallen. Nicht gerade mutig. So

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