Das Haus am Hyde Park: Roman (German Edition)
deinen, wie ich vermute, stündlichen Einkäufen in Sachen Putz- und Lebensmittel?«
Ich wurde trotzig. »Ich putze ja nicht nur. Ich gehe auch viel spazieren.«
»Verhältst du dich seit Felix’ Tod so, Ella?«
Die Frage machte mich fassungslos.
»Du bist ständig in Bewegung. Du putzt und kochst und wischst und scheuerst, von morgens früh bis spät in die Nacht. Hältst du irgendwann mal inne, kommst zur Ruhe und denkst nach?«
Er wartete.
Ich schüttelte den Kopf.
»Du kannst davor nicht weglaufen, Ella.«
»Tue ich nicht, Lucas. Tue ich nicht .«
Er zog eine Augenbraue hoch.
»Nein.«
»Verstehe. Du putzt eben leidenschaftlich gern.« Er stellte seine Tasse ab, stand auf und schloss die Tür. »Ella, ich hatte heute einen neuen Anruf. Von einem anderen Klienten.«
»Wieder ein Diebstahl?«
»Diesmal fehlt eine Uhr. Eine teure Rolex. Auch hier gilt, es könnte Zufall sein. Vielleicht wurde die Uhr ja bloß verlegt. Vielleicht aber auch nicht. Hattest du schon Gelegenheit, mit den Studenten zu sprechen?«
Ich schüttelte den Kopf.
»Wie auch. Sie verstecken sich ja nicht im Wäschekorb oder einem der vielen Schränke, die du putzt.«
»Lucas, ich weiß nicht, wo ich anfangen soll. Ich habe so etwas noch nie getan.«
»Hast du etwa die vielen Krimis, die ich dir jahrelang geschickt habe, nicht gelesen?«
»Aber sicher doch.«
»Also, was muss ein Detektiv als Erstes tun, wenn er einem Verbrechen auf den Grund gehen will?«
»Ein Motiv finden.«
»Genau. Fang also damit an. Sprich mit allen. Finde heraus, was im Leben meiner Mitbewohner vorgeht. Vielleicht begegnen dir ja finanzielle Schwierigkeiten oder ein plötzlicher Kaufrausch. Du bist den Studenten altersmäßig näher und auch neu im Haus. Niemand wird sich etwas dabei denken, wenn du Fragen stellst.«
In mir stieg Panik auf. »Das fällt mir dieser Tage wirklich schwer, Lucas. Mit Menschen zu sprechen. Mit fremden Menschen.«
»Du? Das glaube ich nicht. Du warst doch immer so neugierig. Du hast dich doch für alles interessiert.« Er lächelte. »Als Kind hast du doch ständig Fragen gehabt. Ich bin mit dem Faxen kaum nachgekommen.«
Ich schluckte. »Aber so bin ich nicht mehr, Lucas. Es tut mir leid, aber ich …«
Meine Tränen kamen für uns beide überraschend. Lucas stand auf und drückte mich an seinen kratzigen Pullover. Nach zehn Minuten setzte er mich wieder sanft in meinen Stuhl und suchte auf dem Beistelltisch, zwischen Unmengen von Büchern und Papieren, nach Taschentüchern.
Ich nahm eins und wischte mir, peinlich berührt, über die Augen. »Tut mir leid, Lucas.«
»Ella, ich bitte dich, das muss es nicht.«
»Ich möchte ja wieder so sein. Aber es geht nicht. Alles ist so anders. Ich kann dir nicht erklären …« Neue Tränen stiegen auf.
»Du musst darüber sprechen.«
»Das habe ich versucht. Es hat nicht geholfen. Ich habe mit Therapeuten, Ärzten und …«
»Nicht mit Profis. Und auch nicht mit mir. Du musst mit jemandem sprechen, der genau weiß, wie es dir ergeht. Mit jemandem, der genau das Gleiche fühlt.«
Ich wusste, wen er meinte. »Ich kann nicht, Lucas.«
Er schwieg. Dann ergriff er sanft das Wort. »Ich habe ihn letzten Monat gesehen, Ella.«
Ich starrte ihn an. »Aidan?«
Er nickte.
»Er ist in London?« Ich wurde unruhig. Ich musste hier weg. Sofort.
Lucas schüttelte den Kopf. »Er war nur auf der Durchreise. Auf dem Weg nach Irland, zu seinen Eltern. Ella, ich habe ihn kaum wiedererkannt. Er ist völlig verzweifelt. Am Boden zerstört. Felix war alles für …«
Beschäftigen. Ablenken. Ich stand auf. »Ich habe eine Idee wegen deiner Studenten, Lucas. Ich weiß, wie ich sie dazu bringen kann, mit mir zu reden.«
»Ella …«
»Es könnte klappen. Ich glaube, es lohnt einen Versuch. Soll ich dir davon erzählen?«
Mein Ablenkungsmanöver passte ihm nicht. Das war mir bewusst. Doch er hörte zu, als ich ihm meinen noch unausgegorenen Plan erklärte, und er war mit mir einer Meinung. Es lohnte den Versuch. Dann verließ ich eilig das Zimmer.
Ich fing gleich am nächsten Morgen an. Ich stand vor allen anderen auf und machte einen großen Berg Pfannkuchen mit drei verschiedenen Füllungen: Obst, Spinat und Käse, Zitrone und Zucker. Peggy kam als Erste in die Küche, mit einem Buch in der Hand. Sie zeigte keine Reaktion, falls sie meine frühe Anwesenheit überhaupt erstaunte. Sie wollte gern einen Pfannkuchen und ließ sich auch Kaffee einschenken.
»Wenn du so weitermachst,
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