Das Haus am Hyde Park: Roman (German Edition)
verdientes Geld. Ein Kinderspiel. Oder, in meinem Fall, ein Zahlenspiel.«
Ich sah auf mein Blatt. Geld. Geld. Geld. »Und was missfällt dir?«
»Offiziell? Nichts. Es ist ein Hochgenuss. Inoffiziell? Ich mag die Schüler nicht. Ich mag die Eltern der Schüler nicht. Aber ich mag die Häuser.«
Bevor ich mir eine weitere Frage ausdenken konnte, ergriff Mark erneut das Wort. »Für wen, sagtest du, ist dein Artikel?«
Ich stotterte mir eine Antwort zurecht: für eine australische Zeitschrift, die unterschiedlichen Schulsysteme und so weiter und so weiter.
»Hat der heilige Lucas dir auch diesen Job besorgt?«
»Wie bitte?«
»Er ist doch unser Großer Versorger, findest du nicht? Kümmert sich um uns, kümmert sich um dich. Und was hat er davon? Nichts, soweit ich sehen kann, außer der inneren Befriedigung. Er ist die Mutter Teresa der Studenten. Und wir sind die Anhänger seines Kultes. Lucasianer. Lucasiten. Lucasaden.«
Ich war nicht sicher, ob aus ihm Bewunderung oder Zynismus sprachen.
Doch er war klug genug, meine Irritation zu bemerken. »Ich beklage mich nicht. Ich weiß, ich habe großes Glück, dass ich zu den Auserwählten zähle. Wusstest du, dass die Warteliste für dieses Haus in die Hunderte geht? Aber du musst dich natürlich nicht in die Schlange einreihen. Du gehst gleich zur Tür. Ein dreifaches Hoch auf Familienbande.«
Ich griff erneut zum Notizbuch. »Kann ich dir noch ein paar Fragen stellen?«
»Klar, wenn du mir noch einen Pfannkuchen machst. Aber vielleicht kannst du mir vorher eine Frage beantworten. Was ist mit Lucas? War er je verheiratet? Läuft da was zwischen ihm und Henrietta? Oder ist er schwul?«
Ich hatte Mark während des Essens gemocht. Nun nicht mehr. »Ich glaube nicht, dass dich das etwas angeht.«
»Selbstverständlich nicht. Aber neugierig darf man ja wohl sein. Das sind wir alle. Als Lucas dich angekündigt hat, hat er dich seine einzige Verwandte genannt. Also haben wir daraus geschlossen, dass du kommst, um dein Erbe zu inspizieren. So ist es doch, oder? All das wird doch eines Tages dir gehören?«
»Keine Ahnung.«
»Das muss ein Vermögen wert sein.«
»Weiß ich nicht.«
»Glaub mir, das ist es. Ein Haus in der Größe, so nahe am Hyde Park. Lucas hat keine Ahnung, worauf er sitzt.« Er warf mir einen abschätzenden Blick zu. »Oder du, so wie es scheint.«
Mir gefiel nicht, wie er über Lucas sprach, das Haus und erst recht über mich. Aber ihn schien nicht zu kümmern, was ich dachte, denn er streckte lässig den Arm in Richtung Kaffeekanne aus und schenkte sich nach.
Dann ging es weiter. »Als ich hier eingezogen bin, hatte ich ja gedacht, dass dieses Haus der Wahnsinn ist, aber du solltest mal sehen, in was für Häuser wir bei unseren Nachhilfestunden kommen. Ich konnte es anfangs überhaupt nicht glauben. Überall Kunst, Nannys, Chauffeure, Köche, Gärtner. Und diese Kids – die bekommen, was sie wollen. Spielzeug, Ponys, Urlaub. Deshalb sind sie ja so schwierige Schüler. Sie sind es einfach nicht gewohnt, sich für irgendetwas anzustrengen. Wenn ihre Mamis und Papis ihnen eine Pille kaufen könnten, von der man mehr Hirn bekommt, sie täten es.« Er sah auf die Uhr. »Ich muss los. Hoffentlich war dir das eine Hilfe.«
Ich sah auf meine Notizen. Dort stand noch immer: Geld, Geld, Geld. »War es. Eine große. Danke.«
Der dritte Student, Darin, war das Gegenteil von Mark. Er war charmant, lustig, hilfsbereit und antwortete auf alle meine Fragen. Aber mir wurde sehr rasch deutlich, dass er den Schülern gegenüber auch nicht anders empfand. Die Kinder waren verwöhnt, doch die Eltern zahlten gut.
»Es ist ein Mittel zum Zweck«, sagte er. »Ich bemühe mich, ihnen möglichst viel beizubringen, und im Gegenzug habe ich einen Ort, an dem ich leben und studieren kann, und noch dazu ein Jahr lang ein gutes Einkommen. Und trotz der vielen Diskussionen, die wir mit Lucas und Henrietta über die Schüler führen, am Ende spielt es überhaupt keine Rolle, was wir mit den Kids machen. Sie werden es sowieso zu etwas bringen. Wir sind doch nur für die Show da, wir gehören in die Rubrik Gemälde, Schmuck, Skulpturen. Ich meine das ernst – ich habe doch gehört, wie sie mit uns vor ihren Freunden angeben. ›Unser Nachhilfelehrer spricht vier Sprachen und ist Meister in asiatischer Kampfkunst.‹ ›Ach, tatsächlich? Unserer hat den Mount Everest bestiegen.‹ ›Unserer war der erste Mann auf dem Mond.‹« Er lächelte, doch er scherzte
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