Das Haus am Hyde Park: Roman (German Edition)
immer, meiner Meinung nach findet er sie wunderbar .«
»Ich mochte dich lieber, als du sie mir zu Gefallen noch umbringen wolltest.«
»Oh, jetzt kann ich das nicht mehr. Nicht, nachdem ich sie im Fernsehen gesehen habe. Australien trüge Trauer. Ich werde einen Fanclub gründen, oder war schon jemand schneller?«
Ich streckte ihm die Zunge raus und lachte. Er brachte mich ständig zum Lachen.
In jenem Jahr hatte ich geplant, Weihnachten in Australien zu verbringen. Mein Flug war längst gebucht. Nun wollte Aidan mich begleiten. »Willst du Weihnachten nicht nach Irland fahren?«
»Lass mich nachdenken. Grauer Himmel und eisige Temperaturen. Sonne und Wärme. Schwere Entscheidung.«
»Wirst du deine Familie nicht vermissen?«
»Ich werde mich auch so tapfer schlagen.«
Wir waren zu dem Zeitpunkt ein halbes Jahr zusammen, doch seine Familie hatte ich noch nicht kennengelernt. Es war das einzige Thema, das wir kaum berührten. Die reinen Fakten waren mir bekannt – Aidan hatte einen älteren Bruder, seine Eltern waren Anfang sechzig und lebten in Carlow, einer Stadt im gleichnamigen County südlich von Dublin, in dem Haus, in dem Aidan aufgewachsen war. Er hatte keine tragische Kindheit im Stile von Die Asche meiner Mutter erdulden müssen, und er war auch keinem Priester zum Opfer gefallen. Angeblich war seine Kindheit gar nicht schlecht gewesen. Seine Familie war nicht mit Reichtum gesegnet, aber Aidan hatte gute Lehrer gehabt, erst in Irisch, dann in Französisch, die sein Talent für Sprachen gesehen hatten. Er war der Erste in seiner Familie, der eine Universität besuchte. Sein Vater hatte im Tuchhandel gearbeitet, seine Mutter war Hausfrau. Nein, Alkoholiker waren sie auch nicht, hatte er mir versichert. Er hatte ganz gewöhnliche Eltern, die hart arbeiteten und ein normales Leben führten. Und sein Bruder Rory war Geschäftsführer der nun bekanntesten Autovermietung in ganz Irland und das Paradebeispiel eines Selfmademans.
»Ich würde deine Familie wirklich gern kennenlernen«, sagte ich eines Nachmittags.
»Umgekehrt auch. Besonders meine Mutter.«
»Wissen deine Eltern von uns? Von mir?«
Er nickte. »Ich zeichne alle unsere Gespräche auf und schicke die Bänder jeden Freitag los.«
Fragen nach seiner Familie wehrte Aidan immer mit einem Scherz ab.
»Es ist mir ernst, Aidan. Ich würde sie wirklich gern kennenlernen. Und Irland auch.«
»Und das wirst du, Arabella, das wirst du«, sagte er. »Vorausgesetzt, ich überlebe das Treffen mit deiner Familie.«
Wir blieben zwei Wochen in Melbourne. Aidan verliebte sich in Australien: in das warme Wetter, den weiten Himmel, das Vogelzwitschern, die entspannten Menschen, die lässigen Redewendungen. Ihn amüsierte es besonders, wenn ihn Verkäufer mit »bis später« verabschiedeten. Sind wir nachher noch verabredet?, fragte er mich immer. Er verstand sich gut mit Walter, vor allem, weil Aidan hin und wieder mit ihm Deutsch sprach. Mum flirtete mit Aidan und erzählte viele, sehr schlechte Iren-Witze, über die er pflichtschuldig lachte. Jess freute sich über einen neuen Zuschauer. Sie hatte sogar einen kleinen Auftritt für uns vorbereitet. Wir waren kaum angekommen, kämpften noch mit der Helligkeit und Sommerhitze, da drängte sie alle in die Küche, wo schon eine Reihe Stühle stand. Als Erstes tanzte sie einen irischen Jig. Dann sang sie eine inbrünstige Version von Danny Boy . Als sie sich theatralisch verbeugte und wir applaudierten, wandte sich Aidan zu mir und flüsterte: »Kann man sie auch für Kindergeburtstage buchen?«
Da liebte ich ihn noch mehr.
Nach Weihnachten mieteten wir uns ein Auto und fuhren nach Sydney. Wir verbrachten die Silvesternacht in einem billigen Hotel, von dem aus man die Harbour Bridge nicht einmal erahnen konnte. Am ersten Januar fuhren wir zurück nach Melbourne. Auf halber Strecke fragte Aidan mich, ob ich ihn heiraten wolle. Während er am Steuer saß. Ich bat ihn, an den Straßenrand zu fahren.
»Hast du mich gerade gefragt, ob ich dich heiraten will?«
Er nickte.
»Einfach so?«
Ein weiteres Nicken.
»Ja, gern«, sagte ich.
»Du kannst ruhig etwas anderes erzählen«, sagte er abends, als wir in einem gewöhnlichen Motel direkt an der Straße im Bett lagen. »Wenn du Freunden und Familie eine romantischere Version bieten willst. Du kannst gern sagen, dass wir die Harbour Bridge erklommen haben, ich mich mit einem Fallschirm in die Tiefe gestürzt habe, auf dem, von Hand gestickt, gestanden hat:
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