Das Haus am Hyde Park: Roman (German Edition)
ihn nicht gehen lassen.
So, so schnell, hatte es angefangen. Voller Leichtigkeit und Wärme. Und so war es weitergegangen. Aidan war natürlich nicht mein erster Freund, doch meine früheren Beziehungen waren nie von langer Dauer gewesen. Meist hatten sie, unter dem Einfluss von Alkohol, auf Uni-Partys begonnen und sich schon wieder erledigt, bevor sie richtig angefangen hatten. Eine Beziehung hatte ganz vielversprechend gestartet – Freunde hatten uns verkuppelt –, aber auch da hatte es am Ende nicht gepasst. Es war, als ob wir in Schuhen gesteckt hätten, die die falsche Größe hatten.
Ich hatte immer geglaubt, das läge an mir. Ich hatte einfach nicht gewusst, was ich tun, wie ich mich in einer Beziehung verhalten sollte. Ich hatte einmal gelesen, dass Mädchen von ihrer Mutter lernen, Frau zu sein, doch in meinem Fall war meine Mutter keine Hilfe. Ich war das absolute Gegenteil von ihr. Ich war groß, sie klein. Sie trug helle Farben, ich bevorzugte dunkle. Ihr Umgang mit Walter bestand aus Kichern, Flirten, großen Augen, gespielter Hilflosigkeit. Ihr Umgang mit meinem Vater hatte nur aus Streit bestanden. Als ich ins Teenageralter kam, hatte ich mit Charlie über das Problem gesprochen. Die ersten Ehen unserer Eltern waren gescheitert. Woher sollten wir wissen, wie man es richtig macht?
»Frag nicht mich«, hatte Charlie erwidert. »Ich bin bloß ein dicker Junge. Niemand wird sich je in mich verlieben. Ich kann von Glück sagen, wenn für mich die Brosamen abfallen.«
»Aber was sucht ein Mann bei einer Freundin?«
»Ich sag dir doch, ich hab null Ahnung.« Nach einigem weiteren Drängen hatte er zugegeben, dass es schön wäre, wenn ein Mädchen wie die beste Freundin wäre, hatte aber hinzugefügt: »Gut wäre natürlich auch, wenn sie sexy wäre. Dann könnte ich bei meinen Freunden mit ihr angeben. Falls ich welche hätte.«
Das war natürlich untertrieben. Charlie hatte viele Freunde. Es zog nicht nur mich in seine Nähe. Und auch bei den Mädchen war er sehr gut angekommen. Er hatte das nur nicht zugegeben, damit ich »keinen Komplex« bekäme, wie er mir später einmal gestanden hatte.
In Aidans Gegenwart hatte ich nie das Gefühl, dass ich irgendeine Rolle spielen musste. Ich war einfach ich. Mit Aidan sprach ich wie mit Charlie, mit dem großen Unterschied, dass ich nie den Wunsch verspürt hatte, Charlie zu küssen. Aber immer Lust hatte, Aidan zu küssen. Mit Aidan zu schlafen. Das taten wir zwei Wochen nach unserem ersten Date. Das erste Mal in seinem Zimmer, das zweite Mal in meinem. Als wir zum Frühstück kamen, sah uns Lucas wissend an, die anderen Studenten machten Scherze und schlüpfrige Bemerkungen. Es war uns egal. Wir lachten. Wir genossen es. Am Anfang unserer Beziehung bekamen wir gar nicht genug voneinander. Ich hatte so etwas noch nie erlebt. Ich wollte schon mit ihm ins Bett, wenn er nur meine Hand berührte. Es war, als ob er jede einzelne meiner Körperzellen zum Leben erweckt hätte. Doch es war nicht nur physisch. Ich hatte ihm so viel zu erzählen, ich wollte so viel von ihm hören, und die Zeit schien nie zu reichen. Ich wollte ihn ständig ansehen. In meinen Augen war er der attraktivste – nein, der schönste – Mann, den ich je gesehen hatte. Er war kein Männermodel. Ganz und gar nicht. Sein Gesicht war ein wenig schief, das war es wirklich, die Nase ein wenig zu groß, doch wenn er mich anlächelte, war es pure Magie. Dann war alles an ihm perfekt.
Und er empfand ebenso für mich. Das war das Unfassliche. Er fand mich schön, sexy, klug und lustig. Er stellte mir unendlich viele Fragen und hörte mir immer aufmerksam zu. Er merkte sich alles, was ich ihm erzählte. Er entlockte mir unzählige Geschichten – über Lucas, meinen Dad und Walter. Besonders komisch fand er die Begebenheit, wie Mum im Einkaufszentrum für das Fernsehen entdeckt worden war. Und eines Abends wollte sich Aidan unbedingt sämtliche MerryMakers -DVDs ansehen, die ich von Mum bekommen hatte.
»Sie ist wirklich komisch«, sagte er hinterher. »Völlig durchgeknallt, keine Frage, aber komisch ist sie.«
Darin musste ich ihm zustimmen. »Und was sagst du zu Jess? Hinreißend? Talentiert? Genauso komisch?«
»Absolut«, sagte er. »Eindeutig hinreißender und talentierter und komischer als du. Und es ist überdeutlich, dass deine Mum sie dir gegenüber vorzieht. Ich würde sagen, für Charlie gilt das auch. Und Walter. Es war doch Walter, oder? Oder Wolfgang? Werner? Wie auch
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