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Das Haus am Hyde Park: Roman (German Edition)

Das Haus am Hyde Park: Roman (German Edition)

Titel: Das Haus am Hyde Park: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monica McInerney
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später bat der Sender um ein Treffen. Keine sechs Wochen später ging die erste Folge von MerryMakers auf Sendung. Den Titel hatte das Produktionsteam geprägt. Mum hatte ihren Namen niemals abgekürzt, sie war immer Meredith, doch für die Öffentlichkeit war sie von jenem Tag an Merry. Und in Folge passte Mum ihr Wesen ihrem Namen an. Sie wurde Merry, die Vergnügte, innerhalb und außerhalb des Studios. Am Anfang war die Show eher so etwas wie ein Kult-Hit, besonders bei verkaterten Studenten: eine rasche Abfolge von Gerichten, Gags, Wein und Essenstipps, dazu sang und redete Mum nach Herzenslust. Das Ganze legte einen Gang zu, als die Macher einen Foodstylisten ins Team holten, und wieder einen, als sie Jess mit in die Show nahmen. Der Sender investierte in Werbung und PR. Die Einschaltquoten stiegen. Ein Fernsehstar – nein, zwei Stars, Mum und Jess, Walter blieb im Off – war geboren.
    Als ich mit meiner Erzählung endlich fertig war, wartete ich auf einen höhnischen Kommentar angesichts solch frivolen Broterwerbs. Doch nichts dergleichen. Henrietta wirkte ernsthaft interessiert. Sie stellte mir die Fragen, die mir jeder stellte. Ich gab die Antworten, die ich allen gab. Wo war die Show zu sehen? In Australien, Neuseeland und auf den Lifestyle-Kabel-Sendern in den USA, Kanada und Spanien. War Mum so berühmt, dass die Leute auf der Straße stehen blieben? Ja. Probierte sie die Rezepte vorher aus, oder taten das andere für sie? Das taten andere. Denn das war der eigentliche Clou an der Sendung. Mum konnte bis heute nicht kochen.
    »Und funktionieren die Rezepte?«, fragte Henrietta.
    »Wenn man die einzelnen Schritte genau befolgt, ja. Außerdem sind die Gerichte gesund«, sagte ich. Den Spruch kannte ich in- und auswendig.
    »Ich liebe Kochshows«, gestand Henrietta und leerte ihren Gin. »Ich kann nicht kochen, aber ich sehe gern zu. Ihre Lasagne neulich war übrigens wirklich gut. Danke.«
    Ihre Komplimente beunruhigten mich noch mehr als ihre Direktheit. »Gern«, erwiderte ich.
    Der Kellner kam erneut an unseren Tisch. Henrietta stellte präzise Fragen zu Soßen, der Herkunft von Fleisch und Gemüse und ließ sich mit ihrer Wahl sehr viel Zeit. Ich nahm etwas Schlichtes: die Suppe, einen Salat. Ich spürte Henriettas Blicke auf mir und erahnte schon die nächste Frage – warum ich keinen Appetit hätte – oder den nächsten Kommentar – ich sei zu dünn. Ich entschied mich, Charlies Rat zu folgen und ihr zuvorzukommen.
    Ich wartete, bis der Kellner fort war. »Was macht eigentlich Ihr Ehemann beruflich, Henrietta?«
    »Er ist Arzt. Immunologe.«
    »Sind Sie schon lang verheiratet?«
    »Seit zweiunddreißig Jahren.«
    »Und Sie hatten fast während Ihrer gesamten Ehe eine Affäre mit Lucas?« Das machte Spaß. Takt wurde überbewertet.
    »Ja«, sagte sie und sah sich nach dem Kellner um. »Wo bleibt der Wein?«
    »Haben Sie kein schlechtes Gewissen?«
    »Doch, manchmal schon.«
    »Und Sie haben keine Kinder mehr bekommen?«
    »Nein, nicht nach meinen Fehlgeburten.«
    »Warum sind Sie eigentlich bei Ihrem Mann geblieben?« Das interessierte mich wirklich.
    »Weil ich ihn geliebt habe. Ihn immer noch liebe.«
    »Aber Lucas lieben Sie auch?«
    Sie griff nach ihrem Wasserglas, trank einen Schluck, stellte es sorgfältig wieder ab und musterte mich gründlich. »Ich weiß sehr wohl, was Sie bezwecken, Ella. Ihnen haben meine Fragen neulich nicht gefallen, und nun stellen Sie mir möglichst viele unangenehme Fragen.«
    »Ja, das stimmt.« Ich wurde rot. »Ich hoffe trotzdem auf eine Antwort.«
    Meine Aufrichtigkeit erstaunte sie. Ihre erstaunte mich nicht weniger.
    »Die Antwortet lautet, ja, ich liebe sie beide, obwohl sie unterschiedlicher kaum sein könnten. Mein Ehemann ist zwanghaft ordentlich. Lucas, wie Sie wissen, nicht. Mein Ehemann ist ein Workaholic, zielstrebig, ein Freund von wissenschaftlichen Fakten und Deadlines. Für Lucas besteht das Leben aus Denken und Diskussion, er kann wochen-, wenn nicht gar monatelang ein einziges historisches Detail recherchieren. Mein Mann ist wohlhabend. Lucas besitzt, bis auf das Haus, nichts. Ich erlebe mit meinem Mann großartige Ferien. Wohne in einem wundervollen Haus. Arbeite, wann und so viel es mir passt. Mein Leben ist bequem und sorgenfrei. Lucas aber stimuliert mich intellektuell. Und nicht nur das. In einer Ehe – ich weiß nicht, ob Sie lang genug verheiratet waren, um das zu bestätigen, Ella – kann der Sex bisweilen recht banal sein. Mit

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