Das Haus am Leuchtturm: Roman (German Edition)
noch überlegen. Ich bin noch nicht fertig mit Nachdenken.« Ihre Stimme verblasst zu einem Murmeln.
Matthew betrachtet sie aufmerksam. »Geht es dir gut?«
Sie schüttelt den Kopf. »Nein. Ich bin müde und kann nicht glauben, was mir das Leben beschert hat. Aber ich weiß, was ich zu tun habe, und das macht mir Mut.«
Er berührt ihre Hand, und der Funke zündet erneut. Sie schaut ihm in die Augen. Seine Pupillen weiten sich, dann presst er seine Lippen auf ihre. Isabella verliert sich in Instinkt und Vergnügen. Sie ist des Nachdenkens müde. Nachdenken macht ihr Angst.
***
Matthew kommt aus der Stadt zurück. Er trägt einen Beutel mit Kartoffeln und Bohnen. Seltsam, wie bedeutungsvoll der Heimweg von der Stadt geworden ist, voller Verheißung und Sorge. Früher hat er sich nichts dabei gedacht. Da war er in Gedanken versunken und nahm seine Umgebung kaum wahr. Jetzt aber kehrt er zu Isabella zurück. Der Weg ist nicht länger neutral; er ist ein glücklicher Ort, umgeben von der Musik der Vögel und des wild brandenden Ozeans.
Sein Herz ist froh. So froh.
Sicher, es gibt diese dunklen Zweifel. Aber sie sind tief vergraben. Isabella ist entschlossen, so viele Edelsteine wie möglich zu verkaufen, indem sie sie zu Schmuck verarbeitet. Das wird eine Weile dauern. Also wird sie nicht morgen oder übermorgen weggehen. Er weiß, er kann sie nicht für sich behalten – das wusste er vom ersten Moment an –, doch er kann sich glücklich schätzen, eine Weile sein Leben mit ihr zu teilen. Er hat nicht damit gerechnet, das noch einmal zu erleben.
Sie ist seit einer Woche bei der Arbeit. Es gibt viele Fehlversuche. Manchmal ist sie so frustriert, dass sie einen kostbaren Edelstein einfach auf den Boden wirft. Dann hebt sie ihn auf und beginnt ruhig und still von neuem.
Matthew öffnet die Haustür. Diesmal begrüßt ihn keine leere Stille, so wie es all die Jahre gewesen ist; diesmal spürt er einen anderen warmen Körper. Bei dem Gedanken wird er rot. Ihre Weichheit macht ihn hart.
»Isabella?«
»Komm und sieh dir das an!« Ihre Stimme klingt hell vor Aufregung.
Er steigt die Treppe hinauf. Sie hat auf dem Boden neben dem Werkzeugschrank weitergearbeitet. Die ganzen Utensilien sind um sie herum ausgebreitet. Jeden Morgen nach dem Frühstück kehrt sie an ihren Platz zurück, arbeitet mit jener verzweifelten Konzentration, die sie auch den langen Marsch zum Leuchtturm hat durchstehen lassen. Diesmal jedoch steht sie da und wartet auf ihn, als er durch die Luke steigt. Sie hält ihm strahlend die Hand entgegen.
Auf ihrer Handfläche liegt eine Brosche. Ihr Einfallsreichtum ist wunderbar. Eine Muschel vom Strand, ein Satinband von ihrem Kleid, die feine Goldkette, mit der der Deckel der Kiste befestigt war. In der Mitte des Schmuckstücks glitzert ein dunkelblauer Saphir. Die Brosche ist hübsch, ungewöhnlich. Genau wie Isabella.
»Sehr gut gemacht.«
»Nicht wahr? Victoria und ich haben als Mädchen oft Broschen aus Muscheln gebastelt. Obwohl wir nie mit Saphiren arbeiten konnten.« Sie runzelt die Stirn. »Ich brauche mehr Zubehör. Silberdraht, aus dem ich Schließen und Ketten machen kann. Ich möchte diese hier gerne verkaufen und davon das Material für das nächste Stück bezahlen.«
Er hört sie kaum. Ihre Wangen sind leicht gerötet, das Haar fällt ihr lose ins Gesicht. Das Begehren wirft ihn beinahe um. Er zwingt sich, bei der Sache zu bleiben. »Wo kannst du das bekommen? Jedenfalls nicht hier in Lighthouse Bay. Nicht einmal in Tewantin. Holz und Zucker schon, aber Silberdraht …«
»Brisbane.«
»Du willst nach Brisbane?« Dazu müsste sie mit dem Schaufelraddampfer fahren und über Nacht bleiben. Seine Eingeweide ziehen sich zusammen, als er sich vorstellt, dass sie allein und weit von ihm entfernt ist.
Doch sie schüttelt bereits den Kopf. »Nein. Ich kenne jemanden, der oft dorthin fährt, der reiche Leute kennt, die vielleicht Schmuck kaufen wollen.«
»Wen denn?«
»Abel Barrett.«
Matthew ist verwundert. »Du kennst Abel Barrett?«
»Ja, und ich weiß mehr über ihn als die meisten Leute. Ich habe einen Plan.«
»Bring dich nicht in Gefahr. Es wäre am besten, wenn niemand in Lighthouse Bay erfährt, dass du noch hier bist. Mrs. Fullbright wird zweifellos schlimme Dinge über dich verbreitet haben, und …« Er verstummt, schämt sich plötzlich. Dass Isabella hier bei ihm im Leuchtturm schläft, muss auch ein Geheimnis bleiben. Er fühlt sich hin- und hergerissen zwischen
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