Das Haus am Leuchtturm: Roman (German Edition)
hatte. »Ein enger Freund von mir – der das Cottage gekauft hat – ist gestorben.« Es war schlimm, ihn zu einem »engen Freund« zu degradieren, aber sie hatte Mark so lange geheim gehalten, dass sie nach außen hin tun konnte, als hätte er ihr nicht viel bedeutet. Nur ihr Inneres zog sich vor Schmerz zusammen, sobald sie an ihn dachte. »Und ich war meinen Job leid. Ich fühlte mich irgendwie fehl am Platz. Ich hatte gehofft, dass … dass es eine gute Idee wäre, nach Hause zu kommen.«
Juliet spannte sich sichtlich an, und ihre Knöchel schlossen sich weiß um die Gabel. Libby war sich nicht sicher, was diese Reaktion hervorgerufen hatte.
»Du bleibst also?«
»Ich weiß es noch nicht. Ich befinde mich wohl in einer Art Übergangsphase. Lebe von einem Augenblick zum nächsten.«
»Und du willst deinen Anteil am Geschäft?«
»Meinen Anteil …?«
»Dad hat es uns beiden hinterlassen. Dein Name steht immer noch in den Papieren.«
»Nein! Oh Gott, Juliet, nein. Es gehört dir. Ich habe es nie gewollt und werde es dir ganz sicher nicht wegnehmen. Der Gedanke ist mir nie gekommen.«
Juliet entspannte sich, auch wenn sie immer noch ein bisschen misstrauisch wirkte. »Verstehe.«
»Vergiss das ganz schnell. Ich habe nicht die Absicht, dir irgendetwas wegzunehmen.« Libby wand sich innerlich. Ihre Schwester hatte eine schreckliche Meinung von ihr. Andererseits war das kein Wunder. Juliet kannte sie nur so, wie sie vor zwanzig Jahren gewesen war, und die Erinnerungen waren wenig schmeichelhaft.
»Ich fühle mich nicht gut dabei«, sagte Juliet. »Ich weiß nicht, in welcher finanziellen Lage du dich befindest, aber ich habe sehr hart gearbeitet. Es ist nicht mehr die Pension, die ich damals geerbt habe. Ich habe Geld für die Renovierung der Küche beiseitegelegt, aber ich könnte es dir geben, falls du …«
»Du musst dir wegen mir keine Sorgen machen, ich brauche dein Geld nicht. Das Cottage des Leuchtturmwärters gehört mir.«
Juliet machte große Augen. »Wirklich? Hat dein Freund es dir hinterlassen?«
»Ja«, log sie. Es hatte keinen Sinn zu sagen, dass es ihr schon seit sechs Jahren gehörte und sie nur Angst gehabt hatte, sich der Vergangenheit zu stellen.
»Gehört dir auch der Leuchtturm?«
»Er steht nicht auf der Besitzurkunde. Ich nehme an, er gehört nach wie vor der Regierung. Aber er ist nicht mehr in Betrieb, oder?«
»Nein, er wurde 1999 stillgelegt. Sie haben einen vollautomatischen Leuchtturm an der Spitze von Maroona Island gebaut.«
Juliet zog die Füße unter sich. »Ein Förderverein hat sich dafür eingesetzt, dass der alte nicht abgerissen wird. Er ist ziemlich baufällig. Aber sie konnten nicht genügend Geld aufbringen, um ihn zu restaurieren, und der Mann, der sich darum gekümmert hat, ist gestorben. Seither ist wohl nicht mehr viel passiert.«
»An der Tür hängt ein Warnschild.«
»Tatsächlich? Das wundert mich nicht. Melody, die junge Frau, die mir hier hilft, hat gesagt, sie sei mal mit Freunden drin gewesen. Sie sind durchs Fenster geklettert. Die Treppen sind wohl ziemlich wacklig, sie hat sich beinahe den Knöchel gebrochen.«
Das beantwortete wohl die Frage, wen sie am Leuchtturm gesehen hatte. Neugierige Teenager fanden selbst in einer Kleinstadt etwas, das ein bisschen Risiko bot.
»So, dann erzähl mal, was du in den letzten zwanzig Jahren so gemacht hast«, sagte Juliet. Sie wirkte viel entspannter, seit Libby ihr versichert hatte, dass sie es nicht auf einen Anteil am Geschäft abgesehen hatte.
Sie redeten lange, doch Libby verriet nicht alles und vermutete, dass ihre Schwester es genauso hielt. Es war kein Problem, über Arbeit, Reisen oder das Tagesgeschehen zu sprechen. Persönlichere Themen wurden ausgeklammert. Keine von ihnen erwähnte Liebe oder Liebhaber, Kinder oder den Wunsch nach Kindern, Hoffnungen oder Träume für die Zukunft. Und schon gar nicht, was vor zwanzig Jahren geschehen war.
Erst beim Abschied, als sie an der Tür standen, nahm Libby endlich ihren Mut zusammen: »Es tut mir wirklich leid, dass ich nicht hier war. Es tut mir leid wegen … allem.« Sie dachte an das Foto von Andy.
Juliet streckte die Hand aus und strich leicht über Libbys Unterarm, als wollte sie etwas sagen, schluckte die Worte aber hinunter. Dann endlich stieß sie hervor: »Schon gut.«
Libby eilte zu ihrem Wagen, halb hoffnungsvoll, halb verzweifelt. Sie standen noch ganz am Anfang. Wenn sie von jetzt an alles richtig machte, könnte sie den
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