Das Haus am Leuchtturm: Roman (German Edition)
Bruch mit ihrer Schwester vielleicht kitten. Und dann würden sie über die Vergangenheit sprechen, und sie könnte alles wiedergutmachen.
Ein frischer Wind wehte vom Meer, als sie vor dem Cottage parkte. Sie hatte den Haustürschlüssel schon in der Hand, als sie hochblickte und bemerkte, dass die Tür des Leuchtturms offen stand. Im obersten Fenster flackerte Kerzenlicht.
Libby merkte, dass sie den Atem anhielt. Sie wollte unbedingt einen Blick hineinwerfen. Sie könnte ja anklopfen. Oder nach Hause gehen und die Sache vergessen.
Aber nein, sie wollte wissen, ob jemand dort war.
Also holte sie ihr Handy aus der Tasche, umklammerte es wie ein Ritter sein Schwert und marschierte entschlossen zum Leuchtturm hinüber. Auf dem Schild an der Tür stand: »Warnung: einsturzgefährdet.« Sie klopfte.
»Hallo?«
Im Inneren war alles dunkel. Sie konnte zwei große Schränke auf dem kahlen Boden erkennen und eine Wendeltreppe, die nach oben führte. Es roch nach Öl, Fisch und Algen.
»Hallo?«, wiederholte sie.
Keine Antwort.
Sie schaltete ihr Handydisplay ein, damit sie ein bisschen Licht hatte, und trat ein. Die beiden Schränke waren oben verglast und enthielten eine Sammlung von Muscheln und Meerestieren, die wie wissenschaftliche Ausstellungsobjekte auf Pappschildern befestigt waren. Zwischen den Schränken bemerkte sie eine mit Brettern vernagelte Tür. Libby stand unten an der Treppe in der feuchten Dunkelheit und schaute hinauf. Ein gutes Stück über ihr verschwanden die Stufen in einer geschlossenen Bodenluke. Sie spielte mit dem Gedanken, kurz hinaufzusteigen, doch dann verließ sie der Mut, zumal die Treppe nicht sicher war. Sie sah sich ein letztes Mal um und ging nach Hause.
Als sie am nächsten Morgen hinüberschaute, war die Tür des Leuchtturms wieder geschlossen.
Zehn
L ibby hatte seit zwölf Jahren keine Geldsorgen mehr gehabt. Obwohl die Miete den größten Teil ihres Gehalts verschlang, hatte Mark dafür gesorgt, dass es ihr an nichts fehlte. Er hatte immer bezahlt, wenn sie zusammen essen gingen, ebenso den heimlichen Urlaub, ihre Schuhe, Handtaschen und Kleider. Seine Großzügigkeit hatte es ihr ermöglicht, einen gewissen Betrag zu sparen, doch sie war nicht sorgsam damit umgegangen. Hatte nicht investiert. Wie die meisten Geliebten hatte sie von einem Tag zum nächsten gelebt. Sie konnte nicht für die Zukunft planen, solange sie den Gedanken an eine Zukunft verdrängte. Ihre lange Beziehung mit Mark war eine Reihe von Momenten gewesen. Er selbst hatte es wieder und wieder gesagt: »Lass uns im Augenblick leben, ihn genießen.«
Doch dieser Augenblick war vorbei. Das Auto war teuer gewesen, ebenso der Computer und die Software, die sie brauchte, um den Winterbourne-Katalog zu erstellen. Ohne festes Einkommen wären ihre Ersparnisse bis Weihnachten aufgebraucht.
Libby saß auf ihrem neuen Drehstuhl und schwang langsam hin und her. Sie hatte den Tag damit verbracht, die Software zu installieren, die Internetverbindung und einen E-Mail-Account einzurichten und Sicherheits- und Back-up-Programme herunterzuladen. Sie war sehr mit sich zufrieden. Jahrelang hatte sie sich darauf verlassen, dass Mark den Computerkram für sie erledigte.
Beim Gedanken an ihn kamen ihr die Tränen. Sie musste weiterarbeiten, damit es nicht so weh tat.
Der alte Esstisch wackelte, wenn sie sich darauf stützte. Sie faltete ein Stück Papier und klemmte es unter das zu kurze Bein. Zum Glück würden ihre Klienten nie erfahren, dass sie an einem wackligen Tisch in der Ecke eines hässlichen Wohnzimmers arbeitete. Sie lehnte sich auf dem Stuhl zurück und legte die Füße auf den Tisch, bevor sie Cathy in London anrief.
»Juwelier Winterbourne, Cathy am Apparat.«
»Hallo aus Australien, hier spricht Libby Slater.«
»Schön, dass Sie sich melden. Ich verbinde Sie mit Emily, dann können Sie alles besprechen.«
»Ich …« Doch es klickte schon in der Leitung, und die Warteschleifenmusik, ein Walzer von Chopin, erklang. Jeden Moment würde sie mit Marks Frau sprechen. Marks Frau.
»Hallo, Libby?« Sie klang kultiviert, aber auch ein bisschen unsicher.
»Hallo, Emily. Es ist schön … hm … Sie kennenzulernen.«
»Gleichfalls. Ich habe so viel von Ihnen gehört.«
»Tatsächlich?«
»Oh, ja. Mark war ganz begeistert von Ihrer Arbeit für uns. Als ich hörte, dass Sie bei Pierre-Louis aufgehört haben, musste Cathy Sie unbedingt für mich aufspüren. Die Dinge … gerade verändert sich einiges, und
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