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Das Haus am Leuchtturm: Roman (German Edition)

Das Haus am Leuchtturm: Roman (German Edition)

Titel: Das Haus am Leuchtturm: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kimberley Wilkins
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dass sie seinen Tagesablauf gestört hat. »Sie brauchen Schlaf.«
    »Das ist es nicht …« Sie weiß genau, was er denkt. Es geht nicht. Wenn jemand merkt, dass sie sich länger als nötig hier aufhält, wird es Gerede geben. Doch Isabella teilt diese Angst nicht. Niemand hat sie kommen sehen, und es ist unwahrscheinlich, dass man sie auf dem Heimweg beobachtet. Sie hat keinen Regenschirm dabei, also kann er sie nicht hinausschicken. Sie findet seine Sorge liebenswert. Offenbar ist er ein verantwortungsvoller Mann und will sie schützen.
    »Bitte. Ich trinke ihn auch rasch aus und gehe, sobald es aufhört zu regnen.«
    Er muss lachen, dabei kräuseln sich reizende Falten in seinen Augenwinkeln. »Eine Kanne also. Bitte, machen Sie es sich bequem.«
    Er entzündet den Herd und setzt den Kessel auf. »Wie gefällt es Ihnen bei den Fullbrights?«
    »Es ist ein bisschen anstrengend. Ich bin nicht an diese Arbeit gewöhnt. Aber der kleine Junge ist reizend.« Sie zögert und wagt sich dann vor. »Er ist am selben Tag wie Daniel geboren.«
    Matthew dreht sich halb zu ihr um und zieht eine Augenbraue hoch. »Das muss …«
    »Ich dachte, es sei schwierig. Ich dachte, ich würde immerzu an Daniel denken, wenn ich ihn ansehe. Doch er ist eine eigene Persönlichkeit. Aber finden Sie es nicht seltsam? So ein Zufall. Sogar ihre Namen sind ähnlich, nur die Konsonanten sind unterschiedlich. Von allen Menschen, denen ich begegnet bin, nachdem ich so viele Meilen gereist bin …« Sie verstummt. Sie hört sich wohl ein bisschen verrückt an, aber daran ist sie gewöhnt.
    »Er ist eine eigene Persönlichkeit. Wie Sie schon sagten«, beendet er den Satz für sie. »Er ist nicht Daniel.«
    »Natürlich nicht.« Eine unerwartete Traurigkeit überwältigt sie, als hätte man in einem warmen Zimmer das Fenster geöffnet und einen bitterkalten Wind hereingelassen.
    Das Wasser kocht, und Matthew bereitet wortlos den Tee zu. Isabella sitzt da und wartet und wünscht sich etwas, das sie nicht in Worte fassen kann. Noch vor einer Stunde hat sie sich angenehm leicht gefühlt. Jetzt schließt sich das dunkle Netz der Erinnerungen um sie, so wie die dunklen Wolken draußen das Licht verdrängen.
    Doch der Tee hilft. Er ist heiß und süß.
    »Erzählen Sie mir von Ihrer Schwester«, sagt er sanft. »Stehen Sie einander nahe?«
    Isabella lächelt, als sie an Victoria denkt, sie ist so dunkel, wie sie selbst blond ist. »Als Kinder standen wir einander sehr nahe. Wir sind an der Nordküste von Cornwall aufgewachsen, obwohl Papa und Mama aus London stammen. Papa ist der Sohn eines Abgeordneten. Also haben wir anders gesprochen als die Leute dort. Vater war Juwelier. Er war ziemlich verrückt. Hat bis spät in die Nacht gearbeitet, dabei standen ihm die Haare zu Berge.« Sie deutet auf ihre eigenen Haare. »Er hatte seltsame Kunden: Barone und solche Leute aus europäischen Städten, von denen er noch nie gehört hatte. Er war äußerst beliebt. Alle seine Schmuckstücke wurden ohne Löten hergestellt. Wissen Sie, was das bedeutet? Jede Schließe wurde von Hand gebogen und umhüllt. Seine Hände waren so stark, dass er eine Teebüchse mit den Fingerspitzen zerdrücken konnte. Nach Mamas Tod ließ er uns alle Freiheiten. Wir verbrachten den ganzen Tag am Strand und sammelten Muscheln und Steine und bastelten zu Hause Broschen und Armbänder daraus.« Isabella senkt die Augen, als sie an Arthur denkt. Früher einmal hat sie irrtümlich geglaubt, sie und er hätten viel gemeinsam. Aber Arthur hatte nie Spaß daran, Schmuck herzustellen, nicht so wie Papa. Alles, was er tat, war leidenschaftslos. Blutleer.
    »Finden Sie es nicht seltsam«, fragt sie, nachdem sie schweigend von ihrem Tee getrunken hat, »dass ich meinen Mann überhaupt nicht vermisse?«
    »Nein. Ich nehme an, Sie haben ihn verlassen, weil er Sie nicht gut behandelt hat.«
    »Manchmal mache ich mir Sorgen, dass etwas mit meinem Herzen nicht stimmt.«
    Matthew antwortet nicht. Er scheint sich wohl zu fühlen, wenn er einfach nur dasitzt und wartet, dass sie weiterspricht.
    »Vielleicht ist es gebrochen. Nicht im üblichen Sinn, kein Riss in der Mitte. Aber zerbrochen wie eine Uhr, die man vom Kaminsims genommen und mit grober Hand zerlegt und in Einzelteilen auf dem Boden liegengelassen hat. Zerbrochen, so dass sie nicht mehr richtig funktioniert.« Sie reißt sich zusammen. Sie redet zu viel Unsinn. Wenn Arthur hier wäre, würde er sie tadeln, weil sie mit ihren wilden Ideen die

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