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Das Haus am Leuchtturm: Roman (German Edition)

Das Haus am Leuchtturm: Roman (German Edition)

Titel: Das Haus am Leuchtturm: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kimberley Wilkins
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Bettwäsche in den Kessel. »Es ist nichts Schlimmes passiert. Xavier bekommt von seinen Eltern keine Zuneigung, und ich …«
    »Wage es nicht, über sie zu urteilen. Warst du denn noch nie in Diensten?«
    Isabella schüttelt langsam den Kopf.
    Die Köchin kneift die Augen zusammen. »Ich hätte es mir denken können. Also, woher kommst du?«
    »Das spielt keine Rolle. Ich bin jetzt ein Kindermädchen und will es richtig machen und Geld verdienen. Und ich will das Beste für Xavier.«
    »Seine Eltern entscheiden, was das Beste für ihn ist. Du musst nur ihre Anweisungen befolgen. Mrs. Fullbright will nicht, dass wir ihr Kind anfassen, und sie will schon gar nicht, dass du mit ihm in einem Bett schläfst. Ich werde es ihr nicht sagen, dieses Mal nicht. Aber sorge dafür, dass es nicht mehr vorkommt.«
    »Natürlich. Natürlich.«
    Die Köchin gibt nach und berührt Isabella am Ärmel. »Mary, du darfst dem Kind nicht zu nahe kommen. Nicht nur seinetwillen, auch deinetwillen. Kindermädchen bleiben nicht lange in diesem Haushalt. Irgendwann gibt man ihnen die Schuld, weil Xavier nicht spricht, und dann werden sie entlassen. Wenn du das Geld brauchst, solltest du dich zurückhalten und ihnen keine zusätzliche Veranlassung geben, dich wegzuschicken. Lass ihn nicht in dein Bett. Es wird nichts Gutes dabei herauskommen.«
    Isabella nickt, doch sie ist nicht überzeugt. Sie hat vor, genauso weiterzumachen. Sie ist nur nicht geschickt genug gewesen. Beim nächsten Mal wird sie es besser machen. Sie werden sie nicht daran hindern, bei ihrem Jungen zu schlafen.
    ***
    Isabella kauert wartend hinter dem Sofa und lächelt angestrengt. Sie hört Schritte, weich und unsicher. Xavier sucht nach ihr. Er kommt näher, sie hält die Luft an …
    »Buh!«, ruft sie und springt hinter dem Sofa hervor.
    Er zuckt zusammen, gackert laut und hämmert mit dem Holzlöffel auf den Topfdeckel, den er beim Versteckspiel mit sich herumträgt. Auf diese Weise sagt er ohne Worte: »Ich habe dich gefunden.« Er läuft lachend und scheppernd davon, seine Füße hämmern auf die Dielenbretter. Sie läuft ihm lachend hinterher.
    Die Tür zu Katarinas Schlafzimmer öffnet sich.
    »Mary«, sagt sie scharf.
    Isabella dreht sich um und ist sofort still. Xavier bleibt zögernd in der Küche stehen und schaut sie aus großen, angstvollen Augen an.
    Katarina deutet auf das Kind. »Warum muss er solchen Lärm machen? Nimm ihm den Topfdeckel weg.«
    »So zeigt er mir, dass er mich gefunden hat.«
    In Katarinas Gesicht arbeitet es. Isabella meint, Zorn, Scham, vielleicht auch eine Spur von Traurigkeit zu entdecken. Dann fasst sie sich und sagt: »Er sollte Wörter benutzen.«
    Das Schweigen dehnt sich aus. Isabella wird nicht in Xaviers Gegenwart über seine vermeintlichen Mängel sprechen. Sein Daumen steckt im Mund.
    »Nimm den Daumen heraus«, schreit Katarina ihn an. »Und dann geht ihr beide nach draußen. Ich habe Kopfschmerzen. Ich will jetzt nicht diesen lauten Unsinn hören.«
    Etwas in Isabella sträubt sich. Wie herzlos muss diese Frau sein, um so mit einem kleinen Kind zu sprechen? Aber es geht auch um sie selbst: dass man sie in einem solchen Ton zurechtweist. Wenn Katarina wüsste, wer sie ist, wie reich die Familie ihres Ehemannes war …
    Aber es ist nicht ihre Familie, sie will nicht zu ihr gehören. Sie ist allein auf der Welt und besitzt gar nichts.
    »Komm, Xavier«, sagt sie zu dem kleinen Jungen. »Lass uns im Garten Verstecken spielen.«
    Sie gehen leise die Hintertreppe hinunter und spielen eine Zeitlang ganz vorsichtig. Doch Xavier liebt das Versteckspiel, und bald hämmert er glücklich auf seinen Topfdeckel. Die Sonne steht hoch am Himmel. Hier verlaufen alle Jahreszeiten rückwärts: Es ist Mai, aber der Herbst hat begonnen. Der Himmel wirkt kühler, und die Blätter der Birke am Ende des Gartens färben sich gelb. Es riecht nach Meersalz und Holzrauch, und Xaviers Gelächter klingt bis zum Himmel hinauf. Sie verstecken sich, suchen, jagen und fangen einander. Grasflecken an den Knien, gerötete Gesichter.
    Dann zählt Isabella am Gartenzaun bis zehn und hält sich die Hände vors Gesicht. Sie dreht sich um – Xavier ist verschwunden. Sie schaut in sein letztes Versteck, doch er ist nicht da. Sie versucht es hinter den anderen Büschen und Bäumen, aber da ist er auch nicht.
    Sie verlässt den sonnigen Garten und geht in die Waschküche. Keine Spur von ihm. Dann entdeckt sie, dass ein Dielenbrett am Ende der Waschküche fehlt.

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