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Das Haus am Nonnengraben

Titel: Das Haus am Nonnengraben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Degen
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doch Kindergeld für sie kriegen. Und wer glaubt denn heute noch so was wie das mit dem Kind wegnehmen, wo es gerade für junge ledige Mütter jede Menge Einrichtungen gibt. Wer ist denn so idiotisch und glaubt so was!«
    »Ich, ich bin so idiotisch«, sagte Hanna leise.
    »Die hat genau gewusst, wie sie bei dir auf die Tränendrüsen drücken muss.« Bennos Stimme wurde noch sarkastischer. »Aber tröste dich: Vertrauen in Menschen ist zweifelsohne etwas Schönes.«
    »Aber sie wirkte so glaubwürdig. Wenn du sie gesehen hättest …«
    »Genau das will ich ja. Mir diese ominöse Tanja mal selbst vornehmen. Dann werden wir ja sehen, was an ihren Angaben dran ist. Wir gehen jetzt und holen sie aufs Polizeirevier. Dort kann sie ihre Version zu Protokoll geben.«
    Hanna konnte es kaum glauben. Reagierte er so auf ihre Offenheit, auf ihr Entgegenkommen? Sie kam sich vor wie jemand, der eine Vorauszahlung geleistet hatte und nun statt einer Gegengabe eine neue Forderung vorgelegt bekam.
    »Aber ich habe dir doch gesagt, dass sie wegen ihrer … weil sie halt hin und wieder was mitgehen ließ, schreckliche Angst vor der Polizei hat. Sie wird nichts sagen«, stotterte sie. Er musste sie doch verstehen!
    Doch Benno murmelte in aufwallendem Unmut: »Mach doch nicht so ein Theater! Wenn wir ihr das Kind wegnehmen, wird sie schon reden.«
    Hanna starrte ihn fassungslos an. Sie wiederholte leise den letzten Satz: »Wenn wir ihr das Kind wegnehmen …« Der Jähzorn, der ihr schon als Kind so viele Schwierigkeiten eingebrockt hatte, kochte in ihr hoch, so heftig, dass ihre Fingernägel tiefe Halbmonde in ihre Handballen gruben. Sie sprang auf und zischte tonlos und mit geballten Fäusten: »Du … du riesengroßes … Du bist so was von zum Kotzen!«
    Benno stand ebenfalls auf. »Vorsicht, junge Frau«, sagte er höhnisch, »fügen Sie der Liste Ihrer Vergehen nicht auch noch eine Beamtenbeleidigung hinzu.« Und fast verzweifelt: »Hanna, begreif doch – du deckst vielleicht eine Mörderin!«
    »Tanja ist keine Mörderin!«
    »Du hast doch keine Ahnung! Wie willst du das denn beurteilen?«
    »Ich spüre das einfach.«
    »O Gott, die berühmte weibliche Intuition. Das hat ja kommen müssen. Herrje, gebrauch doch deinen Verstand, falls da einer ist …«
    »Was …?«
    »Aber so überleg doch: Diese Tanja ist, wenn schon nicht die Täterin, dann doch die wichtigste Zeugin. Wir brauchen ihre Aussage. Du sagst mir jetzt auf der Stelle, wo sie ist!«
    »Nein.«
    »Nein?«
    »Nein! Tanja hat gerade erst Vertrauen zu mir gefasst. Du glaubst doch nicht im Ernst, dass ich sie an dich verrate.«
    »Was für ein melodramatischer Quatsch! Ich will sie ja nicht foltern, ich will sie nur befragen. Wo ist sie?«
    Hanna schwieg.
    »Wo ist sie?«
    »Ich habe zwar weder Ahnung noch Verstand, aber ich kann den Mund halten!«
    »Herrgottsakra, so geht das nicht! Wir sprechen uns noch!« Benno stürmte hinaus und knallte die Tür zu.
    Hanna schmiss einen Apfel hinter ihm her, der dumpf gegen die Tür prallte. So ein Mistkerl, so ein arroganter, überheblicher Trottel … Wie hatte sie den jemals sympathisch finden können … Sie suchte vergeblich nach einem Schimpfwort, das dem Ausmaß ihrer Wut und ihrer abgrundtiefen Verachtung gerecht geworden wäre. So zornig war sie schon lang nicht mehr gewesen. Es schüttelte sie. »Wir sprechen uns noch.« Da konnte er lang warten, der Blödmann! Die nächsten Tage jedenfalls nicht, denn da war sie gar nicht in Bamberg.

9
    Na wunderbar! Er hatte sich, ganz wie erwartet, voll im Griff. Wie feinfühlig und ergebnisorientiert er dieses Gespräch geführt hatte! Benno war ebenso unglücklich wie wütend. Wie hatte er nur das mit dem Kind sagen können? Er schämte sich bis in die Seelenspitze. Noch nie in seiner Laufbahn hatte er sich so idiotisch benommen und etwas so verdorben. Dabei war er doch berühmt für seine erfolgreichen Vernehmungen, weil er seinen »Kandidaten« wirklich zuhörte und ihnen das Gefühl vermitteln konnte, ihre Aussage interessiere ihn und er verstünde sie, auch wenn er nicht billigte, was sie sagten. Diesmal hatte er alles falsch gemacht, was nur falsch zu machen war. Was war nur mit ihm los? Er stapfte mit Riesenschritten durch die Straßen, blind für die abendliche Stadt.
    Aber wie konnte sie es auch wagen! Wie konnte sie sich unterstehen, die Ermittlungen zu boykottieren, die Arbeit der Polizei, seine eigene Arbeit. Sich ihm in einem so wichtigen Punkt zu widersetzen, das ging

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