Das Haus am Nonnengraben
Schublade von Elfi Rothammer enthielt ihre Geburtsurkunde, ihren Pass, ihre Heiratsurkunde mit Arthur, Arthurs Totenschein und sein Testament.
»Ich, Arthur Rothammer, im Vollbesitz meiner geistigen und körperlichen Kräfte, bestimme hiermit als meinen letzten Willen:
1. Meine Schwester erhält das nach meinem Tod vorhandene Vermögen, ausgenommen die unter 2. und 3. genannten Anteile und alle meine Bücher und Aufzeichnungen. Die Nachlassverwalter sollen alles tun, um meine Schwester, deren Aufenthaltsort mir seit zehn Jahren unbekannt ist, zu finden. Das Geld für die Suche liegt auf einem Konto der Stadtsparkasse Bamberg bereit. Siehe Anlage.
2. Frau Anneliese Kurt erhält ein Fünftel meines nachgelassenen Vermögens, festgelegt in mündelsicheren Papieren. Siehe Anlage.
3. Frau Elfi Rothammer erhält ihren Pflichtteil als Ehefrau und das lebenslange Wohnrecht in meinem Haus am Nonnengraben.
4. Unberührt von diesen Verfügungen bleibt die 1979 ins Leben gerufene Arthur-Rothammer-Stiftung, als deren Verwalter und Stiftungsvorstand ich meinen Freund Rechtsanwalt Norbert Böschen bestimmt habe. Die Stiftung wurde bei der Stadt Bamberg eingetragen. Siehe Anlage.«
Benno pfiff leise durch die Zähne. Oha, das war ja interessant. Da gab es eine Ehefrau, die »Frau Elfi Rothammer« genannt und praktisch enterbt wurde. Da gab es eine verschollene Schwester und eine weitere Frau, Anneliese Kurt, die zusammen genauso viel erhielten. Ob diese Frau vielleicht eine ehemalige Geliebte war? Ob es da vielleicht Nachkommen von Arthur Rothammer gab, von denen man bisher nichts wusste? Und von einer Arthur-Rothammer-Stiftung hatte Benno noch nie etwas gehört.
Das gab viel Arbeit. Die Polizei sollte morgen als Erstes Nachforschungen über die Schwester und die restliche Familie anstellen. Werner konnte sich diese Anneliese Kurt vornehmen. Er selbst würde mit dem Stiftungsreferenten sprechen und dann mit Rechtsanwalt Böschen.
Auf dem Heimweg schaute Benno zu einem Stern hinauf, der blinzelnd zwischen zwei Schornsteinen hing, und dachte: Diese Spur scheint heiß zu sein. Möglicherweise bringt sie viel mehr als die Kleine mit den grünen Haaren. Auch wenn man das natürlich weiterverfolgen muss.
Er kickte ein Steinchen vor sich her und versuchte nicht daran zu denken, wie unmöglich er sich gemacht hatte. Und nicht an diejenige, vor der er das getan hatte. Und schon gar nicht an die sanfte Kurve zwischen ihrem Ohrläppchen und ihrem Wangenbogen. Von anderen Kurven ganz zu schweigen.
10
Hanna blinzelte die Tränen weg und biss die Zähne zusammen. So ein Idiot, so ein Mistkerl! Was für eine dumme Kuh sie doch war! Wie hatte sie sich nur so täuschen können. Sie hatte wirklich geglaubt, ihm vertrauen zu können. Einem Staatsanwalt! Aber dem würde sie es zeigen! Nichts brachte sie so in Rage, wie wenn jemand ihre Intelligenz in Frage stellte. Gebrauch doch deinen Verstand, falls da einer ist … O ja, Herr Staatsanwalt, das wollen wir doch einmal sehen, was wir mit unserer weiblichen Intuition herausfinden. Tanja ist keine Mörderin!
Sie stand auf, um die Gläser wegzuräumen. So viel zu vertrauensbildenden Maßnahmen! Zornig diskutierte sie in Gedanken weiter mit Benno. Als sie den Kopf zurückwarf, um ihn mit einer feurigen Suada zu vernichten, stieß sie sich den Wangenknochen am Eck des Hängeschranks. Das tat höllisch weh. Sie sank auf einen Küchenstuhl und hielt sich den nassen Spüllappen ans Gesicht. Ihr Zorn wurde dadurch nicht geringer. In Ermangelung geeigneterer Ziele für eine Misshandlung nahm sie einen Zettel, der auf dem Küchentisch lag, und zerknüllte ihn, noch mal und noch mal. Sie wollte den kleinen Papierball gerade wegwerfen, als ihr etwas einfiel. Das war doch die Notiz mit der Telefonnummer des Arbeiterwohlfahrtsheims. Sie hatte die Heimleitung gebeten, Frau Kurt zu sagen, dass sie, Hanna, gern am Abend vorbeikommen würde. Das hatte sie über der Aufregung mit Benno vollkommen vergessen. Gottlob war ihr Gespräch ja nicht sehr ausführlich gewesen. Es war nicht einmal acht Uhr. Sie konnte es noch rechtzeitig schaffen. Hanna packte ihr kleines Diktiergerät und ihren Schreibblock ein und fuhr hinaus nach Bamberg-Ost.
Anneliese Kurt wohnte im achten Stock. Der Blick auf die Hügelkette im Westen, deren Rand die untergegangene Sonne silbern zeichnete, unterbrochen von den Türmen der Stadt, entschädigte für die hässliche Nüchternheit des Treppenhauses mit seinen Glasbausteinen und für
Weitere Kostenlose Bücher