Das Haus an der Düne
und ruhig, ganz für sich gelegen – keine Autos oder Grammofon spielende Nachbarn. Ich habe es sofort genommen.»
Bei diesen Worten waren wir am Pförtnerhaus angekommen. Er ließ ein lautes, herzhaftes «Kui» los, worauf als Antwort ein weiteres «Kui» ertönte.
«Kommen Sie weiter», sagte Mr Croft. Er ging durch die offene Tür, die kurze Treppe hinauf in ein hübsches Schlafzimmer. Dort lag auf dem Sofa eine untersetzte Frau mittleren Alters mit vollem, grauem Haar und einem sehr sanften Lächeln.
«Nun, Mutter, wer glaubst du, könnte das sein?», sagte Mr Croft. «Der weltberühmte Detektiv Mr Hercule Poirot. Ich habe ihn extra für dich auf einen Plausch mitgebracht.»
«Mir fehlen vor Aufregung die Worte!», rief Mrs Croft und schüttelte mit großer Wärme Poirots Hand. «Jawohl, ich habe alles über diese Affäre im ‹Train Bleu› gelesen. Auch dass Sie sich ganz zufällig im Zug befanden, und eine ganze Menge über Ihre anderen Fälle. Ich meine, seit meinem Unfall habe ich so ziemlich alles an Kriminalromanen gelesen, was es gibt. Nichts vertreibt einem besser die Zeit. Bert, Lieber, Edith soll doch bitte den Tee bringen.»
«Geschieht sofort, Mutter.»
«Unsere Edith ist eine Mischung aus Krankenschwester und Dienstmädchen», erklärte Mrs Croft. «Sie kommt jeden Morgen und macht mich fertig. Sonst brauchen wir keine Dienstboten. Bert ist ein ganz ausgezeichneter Koch und ein guter Wirtschafter. Das hält ihn auf Trab – das und der Garten.»
«So, da wären wir!», rief Mr Croft mit dröhnender Stimme, als er mit einem Tablett zurückkam. «Hier ist der Tee. Das ist ein großer Tag in unserem Leben, Mutter.»
«Ich nehme an, Sie wohnen hier am Ort, Mr Poirot?», wollte Mrs Croft wissen, während sie sich ein wenig vorbeugte und Tee einschenkte.
«Ah, ja, Madame, ich mache Urlaub.»
«Aber ich habe doch gelesen, Sie hätten sich zurückgezogen – machten sozusagen Dauerurlaub.»
«Aber, Madame, Sie dürfen nicht alles glauben, was in der Zeitung steht.»
«Nun, das stimmt auch wieder. Also betätigen Sie sich doch noch in Ihrem Beruf?»
«Wenn mich ein Fall interessiert.»
«Und Sie sind ganz sicher nicht beruflich hier?», versuchte Mr Croft ganz pfiffig nachzuhaken. «Sich als Urlauber auszugeben könnte ja auch eine wunderbare Tarnung sein.»
«Stelle ihm doch nicht so peinliche Fragen, Bert», wandte Mrs Croft ein. «Dann kommt er nicht wieder. Wir sind einfache Leute, Monsieur Poirot, und mit Ihrem Besuch erweisen Sie uns eine große Ehre – Sie und Ihr Freund. Sie wissen gar nicht, welche Freude Sie uns bereiten.»
Sie war so natürlich und offen in ihrer Begeisterung, dass ich sie sofort ins Herz schloss.
«Das war eine schlimme Sache mit dem Bild», sagte Mr Croft ziemlich unvermittelt.
«Das arme kleine Ding hätte tot sein können», bestätigte Mrs Croft mitfühlend. «Sie ist wie ein Dynamo. Bringt Leben in die Gegend, wenn sie mal da ist. Wie ich hörte, nicht sehr beliebt in der Nachbarschaft. Das ist typisch für diese abgeschotteten englischen Orte. Da hat man wenig übrig für die Vitalität und Fröhlichkeit eines jungen Mädchens. Mich wundert es überhaupt nicht, dass sie so wenig Zeit hier unten zubringt, und ihr langnasiger Cousin hat weniger Aussicht, sie zum Hierbleiben zu überreden, als – als – nun ich weiß selber nicht, als was.»
«Du sollst nicht klatschen, Milly», wandte ihr Gatte ein.
«Aha!» sagte Poirot. «Daher also weht der Wind. Vertrauen Sie dem Instinkt von Madame! Monsieur Charles Vyse ist also verliebt in unsere kleine Freundin?»
«Er ist ganz närrisch nach ihr», führte Mrs Croft aus. «Aber sie wird niemals einen Landanwalt heiraten. Und ich kann es ihr nicht einmal verübeln. Er ist eben ein komischer Kauz. Ich sähe sie gerne mit dem netten Seemann verheiratet – wie heißt er doch gleich, Challenger. Da kenne ich schlimmere Vernunftehen. Er ist älter als sie, aber was macht das aus? Sie braucht etwas Stabilität in ihrem Leben. Immer nur unterwegs von einem Ort zu anderen, sogar bis auf den Kontinent, ganz allein oder mit dieser seltsam aussehenden Mrs Rice. Sie ist ein liebes Mädchen, Mr Poirot – das weiß ich ganz genau. Aber ich mache mir Sorgen um sie. In letzter Zeit sieht sie nicht gerade glücklich aus. Ich finde, sie hat so etwas Gehetztes an sich. Und das bereitet mir Sorgen! Und ich habe gute Gründe für mein Interesse an dem Mädchen, nicht wahr, Bert?»
Mr Croft erhob sich ziemlich
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