Das Haus an der Düne
mal, was geht hier eigentlich vor? Was tun Sie hier? Stimmt etwas nicht?»
«Das kommt darauf an, was Sie ‹nicht stimmen› nennen.»
Der Australier nickte. Trotz seines kahlen Schädels und seines Alters war er ein ansehnlicher Mann. Er hatte eine gute Figur und ein eher mächtiges Gesicht mit leicht hervorstehendem Unterkiefer – ein grobschlächtiges Gesicht, dachte ich bei mir. Das Auffälligste an ihm war das stechende Blau seiner Augen.
«Sehen Sie», sagte er. «Ich wollte der kleinen Miss Buckley ein paar Tomaten und Gurken von drüben bringen, ihr so genannter Gärtner taugt nichts – stinkfaul – bei ihm gedeiht nichts. Ein bequemer Nichtsnutz. Mutter und ich – also es macht uns richtig wütend, und wir finden, es ist nur recht und billig, sich als Nachbarn auszuhelfen! Wir haben viel mehr Tomaten, als wir selbst essen können. Nachbarn sollten wie Kameraden sein, finden Sie nicht? Ich kam wie gewöhnlich durch die Verandatür und stellte den Korb ab. Ich wollte gerade wieder gehen, als ich oben Schritte und männliche Stimmen hörte. Das kam mir merkwürdig vor. Wir haben es hier nicht gerade oft mit Einbrechern zu tun – aber schließlich ist ja alles möglich. Ich dachte, ich vergewissere mich einmal, ob alles in Ordnung ist. Dann sah ich Sie beide auf der Treppe. Das war eine ganz schöne Überraschung. Und nun erzählen Sie mir, dass Sie ein Erster-Klasse-Detektiv sind. Was soll das alles bedeuten?»
«Es ist alles ganz einfach», lächelte Poirot. «Mademoiselle hatte vergangene Nacht ein ziemlich schlimmes Erlebnis. Das Bild über ihrem Bett fiel herunter. Vielleicht hat Sie Ihnen davon erzählt?»
«Hat sie. Sie ist gerade nochmal davongekommen.»
«Um auf Nummer sicher zu gehen, habe ich ihr versprochen, eine Spezialkette daran anzubringen – muss ich noch mehr sagen? Sie sagte mir, sie geht am Morgen aus, aber ich könne kommen und abmessen, wie viel Kette ich benötigen werde. Voilà – so einfach ist das.»
Mit entwaffnend kindlicher Geste streckte er seine Hände aus und lächelte einnehmend.
Croft holte tief Luft. «Das ist alles?»
«Ja – Sie haben sich umsonst Sorgen gemacht. Mein Freund und ich sind äußerst gesetzestreue Bürger.»
«Habe ich Sie nicht bereits gestern gesehen?», sagte Croft langsam. «Genauer gesagt, gestern Abend, als Sie an unserem Häuschen vorbeigingen?»
«Oh ja. Sie arbeiteten im Garten und wünschten uns sogar höflich einen guten Abend, als wir vorüberkamen.»
«Stimmt genau. Nun gut. Und Sie sind also der berühmte Monsieur Hercule Poirot. Sagen Sie, haben Sie etwas vor, Monsieur Poirot? Wenn nicht, bitte ich Sie mitzukommen – nach australischer Sitte auf eine Tasse Morgentee – und meine Frau kennen zu lernen. Sie weiß alles über Sie aus den Zeitungen.»
«Das ist überaus freundlich von Ihnen, Mr Croft. Wir haben nichts vor und nehmen Ihre Einladung mit Entzücken an.»
«Das ist großartig.»
«Sie haben die genauen Maße notiert, Hastings?», wandte sich Poirot an mich.
Ich versicherte ihm, dass ich die nötigen Zahlen hätte, und wir gingen gemeinsam mit unserem neuen Freund hinaus.
Croft war geschwätzig, das bemerkten wir bald. Er erzählte uns von seinem Haus in der Nähe von Melbourne, von seinem anfänglich harten Leben, wie er seine Frau kennen lernte, von ihren gemeinsamen Anstrengungen und schließlich von seinem beruflichen und finanziellen Erfolg.
«Wir beschlossen sofort, auf Reisen zu gehen», sagte er. «Wir wollten schon immer die alte Heimat sehen. Nun, das taten wir auch. Wir kamen hierher in diesen Teil der Welt – versuchten ein paar Verwandte meiner Frau aufzuspüren – sie stammen aus dieser Gegend. Aber es ist uns nicht gelungen. Dann fuhren wir auf den Kontinent – Paris, Rom, die oberitalienischen Seen, Florenz – alles, was eben so dazugehört. In Italien gerieten wir in ein Zugunglück. Dabei wurde meine arme Frau schwer verletzt. So grausam kann das Schicksal sein! Wir waren bei den besten Ärzten und immer die gleiche Diagnose – viel Geduld und Zeit – Geduld und liegen. Es handelt sich um eine Rückgratverletzung.»
«Welch ein Unglück!»
«Verflixtes Pech, nicht wahr? Nun, wir konnten nichts tun. Und sie hatte nur noch einen Wunsch – hierher zu kommen. Sie hatte irgendwie das Gefühl, ein eigenes Häuschen – nur ein ganz kleines – würde alles erträglicher machen. Wir sahen uns eine Menge baufällige Scheunen an und mit etwas Glück fanden wir schließlich dieses hier. Nett
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