Das Haus an der Düne
Charles Vyse als auch Commander Challenger in die junge Dame verliebt sind.»
«Ich denke, man kann sagen, dass wir Letzteres mit eigenen Augen gesehen haben», bemerkte ich lächelnd.
«Ja – er trägt gern das Herz auf der Zunge, unser braver Seebär. Bei dem anderen müssen wir uns auf das Wort von Madame Croft verlassen. Wenn jetzt zum Beispiel Charles Vyse sich ausgestochen fühlte, würde ihn das so weit bringen, seine Cousine lieber tot zu sehen, als sie einem anderen Mann zu überlassen?»
«Das klingt sehr melodramatisch», wandte ich zweifelnd ein.
«Sie wollen sagen, zu unenglisch. Da stimme ich zu. Aber sogar Engländer haben manchmal Gefühle. Und besonders jemand wie Charles Vyse. Er ist ein introvertierter junger Mann, der seine Gefühle nicht gerne zeigt. Solche Menschen fühlen jedoch oft sehr leidenschaftlich. Commander Challenger würde ich niemals eines Mordes aus Leidenschaft verdächtigen. Nein, er ist auf keinen Fall der Typ dazu. Aber bei Charles Vyse – ja, da wäre es denkbar. Aber das genügt mir nicht ganz.
Ein weiteres Motiv für Verbrechen – Eifersucht. Ich trenne sie ganz bewusst vom letzteren Motiv, denn Eifersucht muss nicht notwendigerweise ein sinnliches Gefühl sein. Zum Beispiel Neid – Neid auf Besitz – Neid auf Überlegenheit. Oder Eifersucht, wie sie den Jago eures großen Shakespeare zu einem (rein professionell betrachtet) der genialsten Verbrechen überhaupt getrieben hat.»
«Wieso war es so genial?», fragte ich, momentan vom eigentlichen Thema abgelenkt.
« Parbleu – weil er andere dazu brachte, es auszuführen. Stellen Sie sich einen Kriminellen von heute vor, dem man nur deswegen keine Handschellen anlegen kann, weil er niemals etwas selbst verübt hat. Aber das steht jetzt nicht zur Debatte. Kann Eifersucht in irgendeiner Form die Ursache für dieses Verbrechen sein? Wer hat einen Grund, Mademoiselle zu beneiden? Eine andere Frau? Da käme nur Madame Rice infrage, und so weit wir es beurteilen können, herrscht zwischen den beiden keine Rivalität. Aber wie gesagt, eben nur, so weit wir es beurteilen können. Vielleicht gibt es da ja doch etwas.
Und zu guter Letzt – Angst. Kennt Mademoiselle Nick womöglich jemandes dunkles Geheimnis? Könnte ihr Wissen, ans Tageslicht gezerrt, das Leben eines anderen zerstören? Ich denke, wir können mit Sicherheit behaupten, dass sie selbst sich dessen jedenfalls nicht bewusst ist. Aber, wissen Sie, genau so könnte es sein. Jawohl. Und wenn dem so ist, macht es die Sache sehr kompliziert. Denn sollte sie irgendetwas in Händen haben, so ist es ihr nicht bewusst, und sie kann uns daher nicht sagen, worum es sich handelt.»
«Halten Sie das wirklich für möglich?»
«Es ist lediglich eine Hypothese. Ich lasse mich dazu hinreißen, weil es mir Schwierigkeiten bereitet, eine plausiblere Theorie zu finden. Wenn man alle Möglichkeiten eliminiert hat, hält man sich an die einzig übrig gebliebene und sagt, da es nicht anders sein kann – muss es so sein…»
Er schwieg längere Zeit.
Schließlich tauchte er aus seiner Versunkenheit auf, nahm ein Blatt Papier und schrieb.
«Was schreiben Sie da?», fragte ich neugierig.
« Mon ami, ich stelle eine Liste zusammen. Eine Liste der Menschen aus Miss Buckleys Umgebung. Auf dieser Liste muss sich, wenn meine Theorie stimmt, auch der Name des Mörders befinden.»
Er schrieb vielleicht zwanzig Minuten lang – dann schob er mir die beschriebenen Blätter über den Tisch zu. « Voilà, mon ami. Machen Sie daraus, was Sie wollen.» Es folgt die Wiedergabe seiner Notizen:
A. Ellen
B. Ihr Ehemann, der Gärtner
C. Ihr gemeinsames Kind
D. Mr Croft
E. Mrs Croft
F. Mrs Rice
G. Mr Lazarus
H. Commander Challenger
I. Mr Charles Vyse
J…
Bemerkungen:
A. Ellen – verdächtige Umstände. Ihre Reaktion und ihr Ko m mentar, als sie von dem Verbrechen erfuhr. Günstigste Gel e genheit von allen, die « Unfälle » getürkt und von der Pistole gewusst zu haben, Manipulation des Wagens aber unwah r scheinlich und überhaupt entspricht eine kriminelle Denkweise nicht ihrem geistigen Horizont.
Motiv: Keines, falls nicht Hass aus einem uns unbekannten Grund.
Anmerkung: Weitere Nachforschungen nach ihrer A b stammung und allgemeiner Verbindung mit N. B.
B. Ihr Ehemann – wie oben. Könnte eher am Wagen manip u liert haben.
Anmerkung: Sollte befragt werden.
C. Kind – scheidet aus.
Anmerkung: Sollte befragt werden. Könnte wertvolle Info r mation haben.
D. Mr
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