Das Haus an der Düne
eine Magenverstimmung und noch so etwas Ähnliches. Sie haben sie durchleuchtet und meinten, der Blinddarm müsse raus. Und da war sie nun, das arme kleine Ding auf dem Weg in eins dieser garstigen Krankenhäuser.»
«Ich habe sie einfach so gefragt», fuhr Mr Croft fort, «ob sie ein Testament gemacht hat. Eigentlich habe ich es mehr als Scherz gemeint.»
«Ach, ja?»
«Aber sie hat es gleich an Ort und Stelle geschrieben. Sprach davon, von der Post ein Formular zu besorgen – davon habe ich ihr abgeraten. Machen oft eine Menge Ärger, hat man mir erzählt. Jedenfalls ist ihr Cousin ja Anwalt. Er würde ihr ein richtiges Testament entwerfen, wenn sie erst wieder gesund aus der Klinik entlassen würde – was ich nicht im Geringsten bezweifelte. Es handelte sich um eine reine Vorsichtsmaßnahme.»
«Wer waren die Zeugen?»
«Oh, Ellen und ihr Mann.»
«Und danach? Was geschah dann damit?»
«Oh, wir haben es abgeschickt. An Vyse, den Anwalt, wissen Sie.»
«Sie wissen, dass es abgeschickt wurde?»
«Mein lieber Monsieur Poirot, ich habe es eigenhändig hier in diesen Kasten neben dem Tor gesteckt.»
«Wenn Monsieur Vyse nun aber behauptet, er habe es niemals bekommen…»
Croft starrte ihn ungläubig an.
«Sie meinen, es ist in der Post verloren gegangen? Aber das ist doch unmöglich.»
«Sie sind jedenfalls sicher, dass Sie es aufgegeben haben?»
«Ganz sicher», bekräftigte Mr Croft herzhaft. «Darauf schwöre ich jeden Eid.»
«Nun gut», sagte Poirot. «Glücklicherweise spielt es keine Rolle. Mademoiselle wird so schnell nicht sterben.»
« Et voilà! Wer lügt jetzt?», fragte Poirot, als wir außer Hörweite waren und uns auf dem Weg hinunter ins Hotel befanden. «Monsieur Croft? Oder Monsieur Charles Vyse? Ich muss gestehen, ich sehe keinen Grund, warum Monsieur Croft lügen sollte. Das Testament zurückzuhalten bringt ihm doch keinen Vorteil – besonders wo er an seiner Entstehung maßgeblich beteiligt war. Nein, seine Aussage scheint eindeutig und stimmt genau mit dem überein, was uns Mademoiselle Nick erzählt hat. Aber dennoch…»
«Ja?»
«Dennoch bin ich froh, dass Monsieur Croft bei unserer Ankunft gerade am Herd beschäftigt war. So hat er nämlich einen hervorragenden Fingerabdruck seines fettigen Daumens und Zeigefingers auf der Zeitung hinterlassen, die auf dem Küchentisch ausgebreitet lag. Ich habe die Abdrücke unauffällig an mich gebracht. Wir schicken sie an unseren guten Freund, Inspektor Japp von Scotland Yard. Es besteht ja immerhin die Möglichkeit, dass er etwas herausfindet.»
«Ja?»
«Wissen Sie, Hastings, ich kann mir nicht helfen, aber unser liebenswürdiger Monsieur Croft ist einfach zu gut, um wahr zu sein. Und nun», fügte er hinzu. «Le déjeuner. Ich komme um vor Hunger.»
Fünfzehntes Kapitel
Fredericas seltsames Verhalten
P oirots Erfindungen über den Chief Constable erwiesen sich am Ende als kein reiner Schwindel. Colonel Weston suchte uns nämlich bald nach dem Lunch auf.
Er war ein hochgewachsener Mann von militärischer Haltung und sah ziemlich gut aus. Er hatte beträchtliche Hochachtung vor Poirots Leistungen, die ihm wohl bekannt waren.
«Wunderbarer Glücksfall, Sie hier bei uns zu haben», versicherte er immer wieder.
Seine größte Sorge war, dass er gezwungen sein würde, die Hilfe Scotland Yards in Anspruch zu nehmen. Er war äußerst bestrebt, das Rätsel ohne fremde Hilfe zu lösen und den Verbrecher zu überführen. Daher vor allem rührte sein Entzücken über Poirots Anwesenheit in der Gegend.
Soweit ich es beurteilen konnte, zog ihn Poirot in jeder Hinsicht ins Vertrauen.
«Verteufelt kuriose Angelegenheit», meinte der Colonel. «Hab noch nie so was gehört. Nun, eigentlich müsste das Mädchen in dem Sanatorium sicher sein. Aber Sie können sie dort nicht ewig lassen!»
«Genau da liegt das Problem, Monsieur le Colonel. Da gibt es nur einen Ausweg.»
«Und der wäre?»
«Wir müssen den Schuldigen finden.»
«Wenn sich Ihr Verdacht bestätigt, wird es nicht so leicht sein.»
« Ah! Je le suis bien. »
«Beweise! Es wird teuflisch schwierig werden, die Beweise zu sammeln.»
Zerstreut runzelte er die Stirn.
«Immer verzwickt, diese Fälle, die nicht routinemäßig zu lösen sind. Wenn wir wenigstens die Pistole hätten…»
«Die liegt längst auf dem Meeresgrund. Das heißt, wenn der Mörder klug war.»
«Ah!», meinte Colonel Weston. «Oft ist das Gegenteil der Fall. Sie wären überrascht zu hören, was
Weitere Kostenlose Bücher