Das Haus an der Klippe
geholfen.«
»Wir sind ihnen zahlenmäßig überlegen, Andy, es sind nur noch vier übrig. Hat jemand den Typ da draußen geschnappt? Er wird uns verraten, was hier abgeht.«
Er sagte das mit der Gewißheit eines mittelalterlichen Folterknechts.
»Ich fürchte, da irren Sie sich, Mr. Pascoe«, sagte Sempernel, der durch die Eingangstür trat.
»Scheiße! Der Dreckskerl ist uns doch nicht etwa weggestorben?«
»Glücklicherweise nicht. Der Dreckskerl ist nämlich einer meiner Mitarbeiter, den ich über Funk benachrichtigt habe. Er hatte den Auftrag, Sie abzufangen, bevor Ihnen etwas zustößt.«
»O Gott«, sagte Pascoe und dachte daran, mit welch erbitterter Wucht er den Mann auf den Kies geschleudert hatte. »Ist alles in Ordnung mit ihm?«
Er riß sich von Dalziel los und ging zur Tür.
Der Mann saß, gegen ein Auto gelehnt, auf dem Boden. Er wirkte ziemlich benommen, seine Stirn und die linke Wange waren mit einem Steinchenmosaik bedeckt.
»Tut mir leid«, sagte Pascoe, »ich dachte …«
Dann lösten die verunstalteten, blutverschmierten Gesichtszüge eine Erinnerung in ihm aus. Das mußte der Mann sein, den er mit dem Superintendenten vom Betrugsdezernat bei Gericht gesehen hatte, derjenige, auf den Ellies Beschreibung des Mannes zutraf, der sie mit der Geschichte über die angeblich kranke Rosie aus dem Haus locken wollte …
»Dreckskerl«, sagte er. »Hätte ich dir doch das Genick gebrochen.«
Damit ging er zurück zu Dalziel, der verzückt das lebensgroße Gemälde an der Wand gegenüber der Eingangstür betrachtete.
Und …
»Wie zum Teufel kommt ein Gemälde von Kelly Cornelius in die Halle von Feenie Macallum?« fragte Andy Dalziel.
Pascoe sah genauer hin.
Tatsächlich. Da war sie, neben einem Mann, der für Shelleys Ozymandias hätte Modell stehen können, Kelly Cornelius, wie sie leibte und lebte, diese klassische Figur, gepaart mit pulsierender Lebendigkeit, eine Galatea, die den ersten starken Puls warmen Blutes in weichem Fleisch spürt, als Aphrodite dem kalten Elfenbein Leben einhaucht.
Was hat das zu bedeuten? dachte Pascoe. Was hat das alles zu bedeuten?
Zu Sempernel gewandt, sagte er: »Was ist hier los? Sind noch mehr Schüsse gefallen? Wer hat gefeuert? Wo sind die Männer, die vorhin hier angekommen sind? Warum stehen wir hier rum? Was in Gottes Namen ist mit meiner Frau …?«
»Immer mit der Ruhe, Mr. Pascoe«, erwiderte Sempernel. »Sie sind ein erstaunlich impulsiver junger Mann. Wenn Sie sich zu Ende angehört hätten, was Jacobs zu sagen hatte, dann wüßten Sie, daß er, als er einen Schuß zu hören glaubte, der Sache nachgegangen ist, bevor er Bericht erstattete. Auf der Terrasse hinter dem Haus hat sich einiges getan. Schließlich sah er eine Gruppe von Damen, unter denen er Ihre Frau erkannte …«
»Er hat sie erkannt, nicht wahr? Der Dreckskerl hat sie nämlich schon mal gesehen.«
»Stimmt. Wie ich sagen wollte, er sah sie durch den Garten zu einer Art Sommerhaus auf der Klippe gehen …«
»Also ist kein Schuß gefallen?« unterbrach ihn Pascoe.
»Ich fürchte schon«, erwiderte Sempernel ernst. »Jacobs beobachtete Ihre Frau und deren Freundin, Mrs. Aldermann. Sie stützten Ihre Kollegin, Constable Novello, die anscheinend den Arm in der Schlinge trug.«
»Shirley? Lieber Himmel! Und was ist mit meiner Tochter? Hat er Rosie gesehen?«
»Erwähnt hat er sie nicht, aber das heißt nicht, daß sie nicht dabei war. Jacobs mußte das Ganze natürlich aus einiger Entfernung beobachten …«
»Er müßte sie gesehen haben. Wenn es Ärger gegeben hat, ist sie ihrer Mutter bestimmt nicht von der Seite gewichen. Wie in aller Welt können Sie zulassen, daß so etwas mit unschuldigen Menschen passiert?«
»Manchmal ist es schwer, die Unschuldigen von den Schuldigen zu trennen, Mr. Pascoe«, erklärte Sempernel gewichtig. »Und manchmal sieht man mit etwas Abstand die Dinge klarer als aus nächster Nähe.«
Pascoe sah ihn an, als hätte er das Gefühl, daß die Möglichkeiten der Sprache erschöpft seien und es an der Zeit wäre, ältere und direktere Kommunikationsmittel anzuwenden.
Dalziel, der die unvermutete Gewaltbereitschaft seines Gefolgsmanns sehr unterhaltsam fand, hatte keine moralischen Bedenken dagegen, daß Sempernel eins auf die Nase bekommen sollte, fand aber, daß es für alles den richtigen Zeitpunkt gibt und daß die gerechte Strafe für diesen langen Strich Eulenschiß noch warten konnte.
»Sollten wir nicht etwas Gescheiteres
Weitere Kostenlose Bücher