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Das Haus an der Klippe

Das Haus an der Klippe

Titel: Das Haus an der Klippe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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spöttisches Lächeln spielte.
    »Ganz gleich, wie die Geschäftsbeziehungen zwischen Kelly Cornelius und Miss Macallum aussehen«, fuhr Sempernel fort, »es liegt auf der Hand, daß sie auf Blutsverwandtschaft beruhen, was meinen Sie, meine Herren? Ich möchte sogar wetten, in direkter Abstammung. Mutter und Tochter vielleicht? Nein, der Altersunterschied ist zu groß. Großmutter und Enkelin wäre naheliegender. Was meinen Sie?«
    »Ich meine, daß wir unsere Zeit verplempern«, entgegnete Pascoe. »Verdammt noch mal, unternehmen wir endlich etwas!«
    Sempernel warf ihm einen beinahe mitleidigen Blick zu.
    »Handeln ist vergänglich«, sagte er, »ein Schritt, ein Weh’n, die Regung eines Muskels – hierhin oder dort –, ist es getan, so starren wir, über uns selbst erstaunt, ins Leere wie Betrogene. Wer hätte es besser sagen können als Wordsworth? Lassen Sie niemals zu, daß die Mühe des Nichthandelns allein zum Antrieb Ihres Handelns wird, Mr. Pascoe. Aber ich glaube, Ihr Wunsch könnte mir doch noch Befehl sein. Gibt es etwas Neues, meine Liebe?«
    Cynthia war wieder hereingekommen. Draußen lärmte der aufkommende Sturm immer heftiger, aber die inneren Stürme hatten Pascoe für das schlechte Wetter taub gemacht. Der Anblick der Frau, die jetzt vor ihnen stand wie Undine, tropfnaß, die schwarzen Haare wie Emaille am Kopf klebend und die Kleidung so klatschnaß anliegend, daß jede Kurve und Mulde ihres Körpers deutlich sichtbar war, schien unwiderleglich zu beweisen, daß eine Vermenschlichung der Natur tatsächlich möglich war.
    »Jacobs sagt, da tut sich was. Mindestens zwei Leute sind auf dem Weg zum Lastwagen.«
    »Hervorragend. Damit ist erwiesen, daß das Zeug tatsächlich hier ist. Wie wär’s, wenn wir jetzt gehen und Jacobs ein wenig unterstützen, meine Herren?«
    An der Tür blieb er stehen und sah sich noch einmal um.
    »Ja, zweifellos Großmutter und Enkelin, würde ich sagen.«
    Aber niemand hörte ihm zu.

Fünfzehn
    Blutiges Glas
    C ornelia ist meine Enkelin«, sagte Feenie Macallum.
    »Cornelia Kelly. Für ihre Freunde Corny, und einige unverbesserliche Wortverdreher machten Kansas daraus. Als ihre ruchlosen Aktivitäten sie in eine Situation brachten, in der eine Wiedergeburt ratsam schien, vertauschte sie mit bemerkenswerter Einfallslosigkeit einfach ihre Namen und wurde Kelly Cornelius.«
    Die Frauen saßen an einem Ende des langgestreckten Raums auf dem Boden und lehnten sich gegen die Wand. Mit Ausnahme eines klapprigen Holzstuhls, der wie ein Symbol der Autorität in der Mitte stand, gab es hier keine Möbel. Die beiden Latinos und Popeye waren die Treppe hinuntergepoltert, die von der Küche in den Keller führte. Der große und der kleine Ajax standen, fasziniert wie Kinder bei einem Feuerwerk, am Fenster und blickten hinaus. Ellie versuchte, nicht hinauszuschauen, aber von Zeit zu Zeit wurde ihr Blick wie magisch von dem Schauspiel angezogen. Noch brachte der Sturm keinen Regen, und die Sicht durch das Glas war erschreckend klar. Es war, als säßen sie auf einem fliegenden Teppich, der wenige Meter über dem Hades schwebte. Doch schlimmer war es, daß das Schlimmste noch bevorstand. Denn fern im Osten, jenseits der blaugrauen Düsternis, in der wütende Rot- und kränkliche Magentatöne den schmalen Raum zwischen dem tiefhängenden Himmel und der kochenden See füllten, zeigte sich eine unaufhaltsam näherrückende dunkle Mauer. Wenn sie erst einmal hier angelangt war …
    Sie riß sich von dem Anblick los und sagte: »Feenie, ich wußte gar nicht, daß du ein Kind hast …«
    »Du brauchst nicht so erstaunt zu tun. Ich war nicht immer eine verhutzelte alte Schachtel.«
    »Tut mir leid. Ich wollte nicht …«
    Feenie lachte. »Natürlich nicht«, sagte sie. »Tatsächlich war es höchstwahrscheinlich der Junge, von dem ich dir erzählt habe. Ich hatte zwar ein paar elementare Vorkehrungen getroffen, aber bei dem Schock, als wir die Stimmen der Deutschen hörten, ist er so heftig gekommen, daß alles für die Katz war. Neun Monate später habe ich in einem Stall entbunden. Gott sei Dank war es ein Mädchen, sonst hätte ich womöglich eine Religion begründet.«
    Jorge hatte ihnen befohlen, sich zu setzen und den Mund zu halten. Daphne, die gegen den Latino offensichtlich einen Groll hegte, der ihr als Tochter eines Archidiakons schlecht anstand, hatte ihn vollkommen ignoriert, während sie sich um Shirley Novello kümmerte. Die Polizistin, den Kopf auf ihren Schoß

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