Das Haus an der Klippe

mindestens einen Monat lang ein weltabgeschiedenes Leben führen.«
    »Nein, du siehst gut aus, ehrlich. Es dauert nicht mehr lange, und du bist wieder frisch wie eine englische Rose.«
    »Englische Rosen sind in Ordnung, solange ich sie nicht – päng – mitten im Gesicht trage. Lieber Himmel, hat jemand von euch Patrick benachrichtigt? In diesem Zustand kann ich auf keinen Fall ins Gartencenter. Sie würden mich sofort mit einem Mittel gegen schwarze Flecken besprühen.«
    »Ich habe auf meinem Handy bei euch zu Hause angerufen«, sagte Pascoe. »Aber es ist niemand rangegangen. Wenn du mir sagst, wie das Gartencenter heißt, lasse ich ihm ausrichten, daß er dich hier abholen soll.«
    »Nein, bitte nicht. Sag nur, daß ich nicht zum Essen kommen kann. Wir sehen uns dann später zu Hause«, erklärte Daphne mit Nachdruck. »Es heißt Mossy Bank. Danke, Peter, du bist ein Schatz.«
    Pascoe zog sich zum Telefonieren zurück, und Ellie setzte sich neben ihre Freundin auf die Bettkante und legte den Arm um sie.
    »Paß auf, alles ist voller Blut«, sagte Daphne. »Die Bluse ist ruiniert.«
    »Das geht wieder raus«, meinte Ellie. »Und ich hab schon was abgekriegt.«
    »Wirklich? Laß mal sehen. Oh, das tut mir leid. Hoffentlich ist das nicht eins deiner besten Stücke.«
    Ellie, die sehr wohl wußte, daß übergroße T-Shirts, noch dazu mit subversiven Aufschriften, für Daphne eine Beleidigung des guten Geschmacks darstellten, lachte laut auf. »Ich bestehe darauf, daß du persönlich mir genau das gleiche als Ersatz besorgst. Sag mal, Mädchen, was hast du dir eigentlich dabei gedacht, dich mit diesem Gangster anzulegen? Er hätte dich auch mit einem Messer oder einer Pistole umlegen können.«
    »Ich habe nicht eingesehen, daß du den ganzen Spaß für dich haben sollst. Was ich aber nicht verstehe, ist, warum eine rotznäsige Trotzkistin wie du es schafft, solche zwielichtigen Typen in die Eier zu treten, während ich als ehrbare Torylady nach einer solchen Auseinandersetzung im Krankenhaus lande?«
    Bevor Ellie antworten konnte, kam Pascoe zurück und meinte: »Das wäre erledigt. Daphne, ich hoffe, du hast Ellie deine Geschichte noch nicht erzählt, weil du sie mir gleich noch einmal erzählen mußt.«
    »Sie wollte gerade anfangen«, sagte Ellie.
    »Ich wollte gerade erklären, daß es eigentlich deine Schuld war«, meinte Daphne. »Der Plan war nämlich gut durchdacht. Ich hatte vor, auf den Kerl zuzugehen und ihn abzulenken. Und wenn er dann dir und deinem Haus den Rücken zugekehrt hätte (nachdem du bis hundert gezählt hättest, weißt du noch?), solltest du deinem Schutzengel Bescheid sagen, damit er herbeieilt und das Subjekt festnimmt. Nur daß du in dem Augenblick, als ich bei ihm anlangte, wild mit den Armen fuchtelnd aus deiner Ausfahrt geschossen bist und den armen Polizisten im Auto angeschrien hast. Natürlich hat der Kerl kapiert, daß etwas faul war, und wollte sich aus dem Staub machen. Und natürlich habe ich ihn dann am Schlafittchen gepackt, um das zu verhindern. Daraufhin hat er mich umgenietet, so sagt man doch? Das habe ich ja schon öfter im Fernsehen gesehen und immer angenommen, daß die Auswirkungen ein klein wenig übertrieben dargestellt werden, wie bei den Ganoven im Western, die rückwärts durch die Luft segeln, wenn sie von einer Kugel getroffen werden. Jetzt weiß ich es besser. Schon komisch, wieviel ich vom rauhen Leben der Unterschicht mitbekommen habe, seit ich dich kenne, Ellie.«
    »Und außerdem ist es komisch«, meinte Ellie, »daß du dich jetzt, wo du nicht durch die Nase sprechen kannst, fast normal anhörst.«
    »Daphne«, schaltete sich Pascoe rasch ein, »kannst du mir diesen Mann beschreiben?«
    »Na ja, er wirkte, als würde er etwas im Schilde führen. Das heißt, eigentlich hat er nur herumgelungert. Deshalb ist er mir aufgefallen, aber wie ich Ellie schon gesagt habe, hätte ich nicht weiter darauf geachtet, wenn sie mir nicht von ihrem schrecklichen Erlebnis gestern erzählt hätte …«
    Mit zunehmendem Alter hört sich Daphne Aldermann immer mehr wie die Tochter eines Archidiakons an, dachte Pascoe. Oder wie man es von der Tochter eines Archidiakons in einem alten Schwarzweißfilm erwartet, umständlich und etwas zimperlich, mit hörbaren Anführungszeichen bei jedem Modernismus. Sie hätte Richterin werden sollen. Ja, sie war genau der Typ von Frau, der ungeachtet aller Bemühungen, breiteren Schichten den Zugang zu diesen Ämtern zu ermöglichen,