Das Haus an der Klippe
sie reinlassen, nur um zu bestätigen, daß Sie sie kennen?«
»Ein Zeichen?« sagte Ellie in einem Tonfall, als wäre das eine völlig absurde Idee. »Hatten Sie an etwas Bestimmtes gedacht?«
»Nichts Kompliziertes. Vielleicht könnten Sie einfach winken.«
Ellie nickte und schloß die Tür.
»Sie wissen doch, wie man winkt, oder, Mrs. Pascoe?« sagte Novello zu der Holztür.
Im Lauf der nächsten zehn Minuten trafen vier weitere Frauen ein, die nach Feenie Macallum alle enttäuschend normal aussahen. Die ersten drei wurden von der Pascoe mit einem nachlässigen Winken eingelassen. Nur bei der vierten zögerte sie ein wenig. Dann erschien die Stadtstreicherin hinter ihr und sagte etwas, die Pascoe hob die Hand, die Neueingetroffene trat ein und die Tür ging zu.
Novello setzte sich wieder ins Auto, um für den Rest ihrer Schicht von ihrem Rendezvouspartner zu träumen, aber schon zwanzig Minuten später sah sie, wie Pascoes Wagen in die Einfahrt einbog. Er stieg aus und kam auf sie zu, und sie manövrierte sich noch einmal aus dem Uno.
Sie bemerkte, daß er ihre Beine und ihre Aufmachung registrierte, aber politische Korrektheit oder zumindest Höflichkeit hinderten ihn offenbar daran, sich dazu zu äußern.
»Hallo, Shirley«, sagte er. »War was los?«
»Ja. Ich glaube, hier findet eine Art Gebetskreis statt.«
Sie berichtete von Liberata Trust, und er lächelte, als hätte sie etwas Lustiges gesagt, aber ihr entging nicht, daß er die typische Reaktion auf das Spiegelei von gestern unterdrückte. Nicht vor dem Personal.
»Wie lange bist du denn schon hier?« fragte er.
»Um vier habe ich Dennis abgelöst.«
»Gut. Besten Dank.«
Er schenkte ihr das typische Pascoe-Lächeln. Glaubt er etwa, daß wir die Überstunden nicht aufschreiben? dachte sie. Doch als er sich dann mit der Hand übers Gesicht fuhr, sah er mit einem Mal sehr müde und sehr verletzlich aus, und plötzlich überkam Novello eine Welle des Mitgefühls. Aber dann fiel ihr die unterkühlte Reaktion seiner Frau ein, und sie ließ sich nichts anmerken.
»Gibt es was Neues zu dem Wagen, der am Parkplatz vor dem
Gateway
gesehen wurde?« fragte sie.
»Zum Wagen nicht, aber zu den beiden Männern. Der eine, der im Pub saß, hat seine Fingerabdrücke auf der Zeitung hinterlassen.«
»Schön. Ist er bei uns bekannt, Chef?«
Er zögerte.
Überlegt er, ob er das seinen Untergebenen verraten soll, dachte Novello ärgerlich. Aber als er antwortete, verflüchtigte sich ihr Groll im Nu.
»Ja. Patrick Ducannon. Gehört der IRA an, hat zwölf Jahre bekommen, wurde aber im Rahmen des Friedensabkommens nach zwei Jahren entlassen. Angeblich hat er sich von der Sache losgesagt, was seinem Ruf in IRA -Kreisen geschadet haben dürfte.«
»Mein Gott«, sagte Novello. »Dann ist es eine ernste Sache. Und der andere …?«
»Nichts. Die Beschreibung paßt auf keinen von Ducannons Weggefährten. Zumindest auf keinen, den wir in unseren Akten haben.«
Das hieß, vielleicht hatten andere Leute ihn in den Akten, zum Beispiel die Geheimdienstler, in den Augen normaler Polizisten sämtlichst analfixierte Wichser, die nichts herausrückten.
»Also hat der Kerl vor dem Pub geparkt, weil er nicht dabei ertappt werden wollte, wie er vom Auto aus dein Haus beobachtet. Er macht einen Spaziergang, glaubt, daß ihm keine Gefahr droht, bis ihn Mrs. Aldermann bemerkt …«
»So sieht’s aus«, sagte Pascoe plötzlich ungeduldig. »Gut, Shirley, du hast jetzt Feierabend.«
»Ich bin bis acht eingeteilt, dann kommt Seymour …«
»Ich habe Dennis schon abgesagt«, erklärte Pascoe. »Wenn ich zu Hause bin, kann ich mich selber um die Sache kümmern.«
Die Sache
ist wohl deine Frau und deine Tochter, dachte Novello, aber dann sagte sie sich: Hör auf damit! Warum fällt es dir so schwer, nett zu einem der wenigen männlichen Kollegen zu sein, die sich bemühen, dich als gleichwertig zu behandeln?
Antwort: Weil jeder, der darüber nachdenkt, dich von gleich zu gleich zu behandeln, dich eben anders behandelt.
Mit anderen Worten, ich nehme nur von Leuten Hilfe an, die sie nicht anbieten. Und das ist wirklich völlig bekloppt.
Vorsichtig sagte sie: »Vielleicht sollte ich das überprüfen, Peter.«
»Das glaube ich nicht«, entgegnete er höflich, aber mit einer Bestimmtheit, die keinen Widerspruch zuließ.
Dein Wunsch ist mir Befehl, dachte sie, als sie wieder ins Auto stieg. Das heißt, ich kann früher im Club aufkreuzen und dafür sorgen, daß mir nicht
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