Das Haus an der Klippe
Veruntreuung dahinter?« fragte Novello.
»Nein! Nicht unser Pete. Ich, ich denke immer das Schlimmste. Er ist mehr so der naive Typ. Sieht überall nur das Gute in den Menschen. Das ist seine einzige Schwäche. Und wie gesagt, er hat anscheinend auch ein Auge auf Miss Cornelius geworfen.«
»Kann mir nicht vorstellen, daß sich der Chief Inspector in seinem Urteil von solchen Regungen beeinflussen läßt«, sagte Novello förmlich.
»Bist du da sicher?« Er warf ihr einen zynisch-lüsternen Blick zu. »Schau lieber noch mal im Handbuch des Feminismus nach, Kleines. Das ist ungefähr das einzige, womit die recht haben – es beeinflußt die Urteilskraft
aller
Männer. Außer meiner natürlich. Und vielleicht der von Sergeant Wield.«
Er grinste unvermittelt und sagte: »He, ob der Vater des Sergeants ihn wohl auch verheiraten wollte, vielleicht nicht mit dem König von Sizilien, aber mit irgendeiner Queen, was?«
Ein Kombi-Witz über Wields Häßlichkeit und seine Homosexualität. War das jetzt so eine Art Siegel, daß sie für voll genommen wurde?
»Aber Peter hat doch Nachforschungen angestellt, oder?«
»Ja. Aber wahrscheinlich hatte er nur ein schlechtes Gewissen, weil sie ihm gefiel. Das unterscheidet eben einen guten Bullen von den Verkehrswinkern. Egal, was für Aussetzer man hat, Hauptsache, sie führen einen zu den richtigen Schlußfolgerungen. Wenn du nur so ’ne simple katholische Rosenkranz- und Weihrauchschwenkerin wärst, dann könnt’ ich mit dir nichts anfangen. Aber nach dem, was Paddy Kerrigan so erzählt, liegst du ja öfter auf dem Rücken als ’ne Anfängerin im Eiskunstlaufen, und das heißt, daß dein Gehirn ’ne ganz schöne Spannbreite abdeckt.«
Vielleicht hätte sie sich darüber empören sollen, denn das war nicht der erste Hinweis darauf, daß mittlerweile ihre Fehltritte – neben Football und Malt Whisky – zu einem weiteren verbindenden Thema für ihren Gemeindepriester Father Kerrigan und den Dicken geworden waren. Statt dessen spürte sie geradezu Entzücken bei dem Gedanken, daß sie, wenn er so mit ihr umsprang, praktisch dazugehörte.
Doch war sie klug genug, sich das nicht anmerken zu lassen.
»Ich werd eine Novene für dich sprechen, Chef«, sagte sie. »Also hat Peter bei ihrem Arbeitgeber nachgeforscht und rausbekommen, daß sie die Finger in die Ladenkasse gesteckt hat.«
»Ladenkasse? Du lebst wohl hinterm Mond, Mädel. Ein Banker von heute würde ’ne Ladenkasse nicht mal erkennen, wenn er sich die Finger drin einklemmt. Aber stimmt, er forscht bei Nortrust nach, und da erzählen sie ihm ziemlich von oben herab, daß Miss Cornelius noch nicht lange in der Firma ist, sich aber in dieser Zeit schon als fleißige und vertrauenswürdige Mitarbeiterin erwiesen hat. Außerdem ist sie ’ne Frau und also nicht helle genug, ihren Arbeitgeber zu bescheißen.«
»Das haben sie tatsächlich gesagt?« unterbrach ihn Novello.
»Nein«, grinste Dalziel. »Aber ich wette, sie haben’s gedacht. Ein Bulle an der Strippe wird ihnen allerdings schon ein bißchen Angst gemacht haben, und bestimmt haben sie anschließend das Tafelsilber nachgezählt. Cornelius ist inzwischen nach einer Untersuchung beim Notarzt wieder zu Hause, und Peter findet heraus, daß sie ihren Flug für den nächsten Tag neu gebucht hat. Am folgenden Morgen kann ihm Nortrust immer noch nichts liefern, womit er sie festnageln könnte. Wenn sie häßlich wie die Nacht gewesen wäre, hätte Pete bestimmt aufgegeben, aber weil er wild entschlossen ist, allen zu beweisen, daß er nicht der Sklave seiner Hormone ist, schickt er ihr zwei Uniformierte, um ihre Aussage noch einmal zu überprüfen. Vor allem aber sollen sie sich so gut wie möglich bei ihr umsehen. Er sucht Burton und Noble aus. Prima Mädels. Nur daß Noble durch eine andere Sache aufgehalten wird und der diensttuende Sergeant, dem nicht klar ist, daß Grips angesagt ist, an ihrer Stelle Hector losschickt.«
»Hector.«
Zum Leben gehört stets auch ein wenig Regen, doch Hector war eindeutig der Monsun von Mid-Yorkshire. Kurz nach seinem Dienstantritt in der Zentrale, als man das volle Ausmaß seiner geistigen und körperlichen Aussetzer noch nicht erfaßt hatte, war er beauftragt worden, einem Mitglied des Stadtrats die Arrestzellen zu zeigen. Der Mann war dreißig Minuten eingeschlossen gewesen, bevor er es geschafft hatte, auf seine Lage aufmerksam zu machen. Danach vermehrten sich Geschichten über Hector im Rhythmus der
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