Das Haus an der Montego Bay: Roman (German Edition)
tun? Scher dich fort!«, brüllte er mich an.
Ich wollte die Kajüte verlassen, doch da packte Heinrich mich grob an den Schultern. »Nein, nein, Bürschchen, du klarst erst mal hier unten auf. Und du, Jakob, kommandierst nicht meine Leute rum. Ich bin der Kapitän.«
»Aber hast du nicht gerade behauptet, das Schiff würde mir gehören? Was ist in Flensburg geschehen?«
Heinrich kratzte sich am Bart und tat so, als würde er nachdenken.
»Ach ja, da war was mit deinem Bruder«, sagte er nach einer Weile. Er schien sich an Jakobs Ungeduld zu weiden. Der wartete doch nur darauf, endlich die Nachricht vom Tod seines Bruders zu erhalten. Mein Schwager wollte ihn allerdings offenbar noch ein wenig zappeln lassen. Jakob war so nervös, dass er anfing, an seinen Fingernägeln herumzukauen. Ich musste mir ein Lachen verkneifen, doch dann wurde mir plötzlich ganz anders. Was, wenn Jakob eines Tages erfahren würde, dass Pit am Abend des Auslaufens der Hanne von Flensburg ermordet worden war und Heinrich von dem Mord bis zu seiner Abfahrt eigentlich gar nichts hätten wissen können? Würde angesichts dieser Ungereimtheiten nicht der Verdacht in ihm aufkeimen, dass etwas faul war?
Ich war mir des Risikos, die meine Einmischung bedeuten konnte, sehr wohl bewusst. Doch selbst, wenn es unwahrscheinlich war, dass der Mann jemals die richtigen Schlüsse ziehen würde – ich musste verhindern, dass Heinrich ihm von Pits Tod berichtete.
»Ja, das ging in der Stadt rum. Er ist bei bester Gesundheit und hat sogar eine junge Frau geheiratet«, mischte ich mich ein.
Heinrich sah mich mindestens ebenso entgeistert an wie Jakob Hensen.
»Mein Bruder hat geheiratet? Heinrich, stimmt das?« Ich wusste jetzt nicht, was ihn mehr entsetzte: Dass ich behauptet hatte, Pit wäre bei bester Gesundheit oder dass er geheiratet hätte.
Heinrich funkelte mich wütend an, und ehe ich michs versah, hatte er mir eine Kopfnuss verpasst. »Bursche, du sollst die Kajüte aufklaren und dein Maul halten!«
Ich tat so, als ob ich dem Kapitän gehorchte und machte mich an der Koje zu schaffen.
»Heinrich, nun red schon!« Jakobs Stimme vibrierte vor Ungeduld.
»Der Junge hat recht. Ich wollte dir das nur schonend beibringen, denn dein Bruder und ich … also es stimmt, er hat eine Frau.«
»Was hat das zu bedeuten? Was redest du da? Pit ist niemals über den Tod seiner Frau hinweggekommen! Wen soll der wohl geheiratet haben?« Jakobs Stimme überschlug sich vor Aufregung.
»Er hat die Schwester meiner Frau geheiratet!«
»Deiner Frau? Um Himmels willen, wie alt ist die denn?«
»Noch keine zwanzig«, erwiderte Heinrich ungerührt.
»Und warum behauptest du dann, dass die Bark mir gehört?«
»Ich meinte nur, weil das jetzt alles deinem Bruder gehört, denn unser Schwiegervater hat sich mit deinem Bruder zusammengetan. Asmussen & Hensen heißt das Unternehmen. Es wundert mich, dass dein Sohn es dir nicht geschrieben hat. Er sitzt doch an der Quelle. Und nun ist mein Schwiegervater gestorben, und alles gehört Pit und meiner Schwägerin …«
Jakob raufte sich die Haare. »Das kann alles nicht wahr sein. Dieser verdammte Bengel«, fluchte er. »Dem werde ich einen Brief schicken, der sich gewaschen hat! Wie kann er es nur wagen, mir keine Nachricht zu schicken!«
Unter lautem Fluchen verließ er die Kajüte.
Heinrich und ich starrten ihm nach wie einem Geist.
»Kannst du mir mal verraten, was das sollte?«, schnauzte mich Heinrich an, kaum dass Jakob Hensen außer Hörweite zu sein schien.
»Weil du gerade im Begriff standest auszuplaudern, dass Pit ermordet worden ist. Dabei wäre es unter anderen Umständen höchst unwahrscheinlich, dass du diese Nachricht vor deiner Abfahrt erhalten hast. Überleg doch mal, er ist erst am Abend deiner Abfahrt ermordet worden! Und wenn später herauskommen sollte, dass du davon gewusst hast, machst du dich verdächtig.«
»Ach ja? Ich kann also vor meiner Abreise nicht von Pits Tod erfahren haben? Dann streng dein hübsches Köpfchen mal an! Wer hat in der Mordnacht denn vor unserer Tür gestanden?«
Jetzt fiel es mir siedend heiß wieder ein. Ich hatte es total vergessen. Wie Polizeidirektor Per Hansen und Christian Hensen nach mir gesucht hatten und wie Heinrich sie schließlich aus dem Haus geworfen hatte.
»Und du vergisst Hauke Jessen! Der Kerl wird in den nächsten Tagen auf der Elfriede in Christiansted eintreffen. Er wird Jakob Hensen natürlich umgehend berichten, dass er Pit in
Weitere Kostenlose Bücher