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Das Haus an der Montego Bay: Roman (German Edition)

Das Haus an der Montego Bay: Roman (German Edition)

Titel: Das Haus an der Montego Bay: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ava Bennett
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meinen Hemdkragen. Heinrich folgte mir schnaubend. Auch ihm machten diese ungewohnt hohen Temperaturen, verbunden mit einer hohen Luftfeuchtigkeit, schwer zu schaffen.
    Kaum am Wasser angekommen, zog ich Schuhe und Strümpfe aus, krempelte die Hosen hoch, begab mich bis zu den Knien ins Wasser und genoss die kleine Abkühlung, wenngleich das Wasser um ein Vielfaches wärmer war, als ich es von zu Hause kannte.
    »Was trödelst du denn so? Zerreiß ihn endlich! Oder soll ich dir helfen?«
    Unwillig kam ich aus dem Wasser, zog den Brief aus meiner Jackentasche und reichte ihn Heinrich. Der war so in Brass, dass er gleich Anstalten machte, ihn zu zerfetzen.
    »Heinrich, nein!«, brüllte ich. »Du musst den Brief an deinem Körper verwahren, darfst ihn niemals irgendwo ablegen, sondern wie deinen Augapfel hüten.«
    »Und warum der Umstand?«, knurrte er.
    »Weil es ein Mordgeständnis ist und du es unserem Polizeidirektor übergibst, sobald du zurück bist.«
    »Und wenn er das nicht glaubt? Oder einer behauptet, der Brief sei gefälscht?«
    Meine Miene verdüsterte sich.
    »Ja, dann bleibt alles beim Alten. Du verrätst ihm ja auf keinen Fall, dass ich lebe. Dann muss ich auf der Insel bleiben. Wenn er uns aber glaubt, wovon ich überzeugt bin, dann kann ich nächstes Jahr mit dir zurückkehren.«
    »Ach, das wäre schön«, seufzte Heinrich und stopfte den Brief in die Innentasche seiner Jacke. »Keine Sorge, ich werde sie nicht einmal zum Schlafen ausziehen.«
    Danach brachte mich Heinrich zu einem Schuppen. Er hatte tatsächlich schon einmal auf einer früheren Tour Ziegel nach Frederiksted geliefert, sodass er dieses Lagerhaus kannte. Trotzdem sah er sich erst einmal prüfend nach allen Seiten um. Nachdem er sich vergewissert hatte, dass weit und breit kein Mensch zu sehen war, öffnete er die Tür zum Schuppen und ließ mich in den düsteren Lagerraum schlüpfen. Durch ein paar Ritzen im Holz drang Licht herein, sodass ich mich, kaum dass sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, einigermaßen orientieren konnte.
    Im Schutz eines riesigen Ziegelstapels blieb ich stehen und stellte meinen Koffer ab. Ich zögerte, ihn zu öffnen, doch dann beeilte ich mich. Warum sollte ich die Reise ins Ungewisse, die mich nun erwartete, noch unnötig hinauszögern? Ein Jahr würde ich schon aushalten. Ich war zäh!
    Schließlich kehrte ich als junge Frau zu Heinrich nach draußen zurück. Ich kam mir ein wenig komisch vor. Mein Schwager aber blickte mich mit erstaunter Miene an.
    »Das kann nicht sein. Hätte nie gedacht, dass du jemals wieder so nett aussehen wirst.«
    »Ich komme mir wie verkleidet vor. Außerdem ist das Kleid viel zu warm für dieses Klima. Ich werde mich wohl neu einkleiden müssen.«
    Wie auf Stichwort griff Heinrich in seine Jackentasche, holte ein Bündel Banknoten und einen Beutel mit Münzen hervor und reichte mir beides.
    »Das ist alles, was ich hatte. Es muss reichen, bis ich im nächsten Jahr wiederkomme.« Heinrich lächelte schwach.
    Mir entwich ein tiefer Seufzer. Jetzt, wo der Abschied zum Greifen nahe war, ging er mir mächtig an die Nieren.
    »Wenn ich wenigstens jemanden in Frederiksted kennen würde, bei dem ich dich unterbringen könnte«, stöhnte Heinrich und machte es mir damit noch schwerer. Ich ahnte, dass es ihm ebenso zusetzte wie mir.
    »Heinrich, es ist alles gut. Ich komme schon zurecht. Wir hatten keine andere Wahl. Denk nur daran, dass ich ansonsten im Gefängnis sitzen würde und das gesamte Hensen-Vermögen und auch das von Vater in die Hände der habgierigen Geier gefallen wäre.«
    »Ich weiß, mein kluges, tapferes Mädchen, aber ich bring es nicht übers Herz …« Er unterbrach sich und wischte sich hastig eine Träne aus dem Augenwinkel. »Ich habe nie aufgehört, dich zu lieben und …«
    »Nicht, schweig, bitte!«, unterbrach ich ihn sanft. »Und überleg dir gut, was du Lene erzählst. Wenn du mich fragst, dann lass sie im Glauben, dass ich ins Wasser gegangen bin. Sie ist keine so gute Lügnerin wie ich. Sie ist auch nicht so wild und abenteuerlustig …«
    Heinrich lachte gequält. »Du brauchst sie mir nicht anzupreisen. Ich liebe sie auf ihre Weise auch. Aber du hast recht. Ich werde ihr wohl nicht von deiner kühnen Flucht berichten. Denn wenn sie hört, dass wir über Monate beinahe Koje an Koje verbracht haben, wird sie vor Eifersucht glühen.«
    Ich stieß ihm liebevoll meinen Ellenbogen in die Seite. »Wenn das deine größte Sorge

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