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Das Haus an der Montego Bay: Roman (German Edition)

Das Haus an der Montego Bay: Roman (German Edition)

Titel: Das Haus an der Montego Bay: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ava Bennett
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rief ich empört aus, doch dann fiel mir ein, dass sie mich wahrscheinlich ebenso wenig verstehen konnte wie ich sie.
    Statt mich ihrerseits anzugreifen, huschte ein breites Lächeln über ihr eher strenges Gesicht.
    »Woher kommen Sie?«, fragte sie mich auf Deutsch. Ich sprach genauso gut Deutsch wie Dänisch und war hocherfreut, eine meiner Heimatsprachen zu hören.
    »Ich bin aus Flensburg und gerade erst angekommen«, erwiderte ich rasch.
    »Und was treibt Sie in dieses entlegene Paradies?«
    Ich betete, dass mir schnell etwas Passendes einfallen würde. Etwas, das plausibel war und das mir auch alle anderen glauben würden, die mich in Zukunft auf der Insel nach dem Grund für meinen Aufenthalt befragen würden.
    »Ach, das ist eine traurige Geschichte. Ich bin eine junge Witwe, und mein Mann hat mich recht mittellos zurückgelassen. Seine Familie soll auf Saint Croix leben.«
    »Und wie heißen die Herrschaften?«
    Mir wurde flau im Magen.
    »Hensen«, erwiderte ich verstört und hätte mir am liebsten die Zunge abgebissen, doch nun war es zu spät.
    Ich hielt den Atem an, als die Frau ihre Stirn in grüblerische Falten legte. »Hensen? Hensen? Nein, also da sind Sie offenbar einem Irrtum aufgesessen. Eine Familie Hensen gibt es in Frederiksted nicht.«
    »O weh, womöglich habe ich die lange Überfahrt vergeblich gemacht.«
    »Das würde ich nicht sagen. Es sind ja drei Inseln. Versuchen Sie es auf Saint Thomas oder Saint John. Oder in Christiansted, unserer Hauptstadt.«
    »Danke, dass Sie mir nicht sämtliche Hoffnung nehmen …« Um von mir abzulenken, brachte ich das Thema nun auf sie.
    »Und Sie, was hat Sie hierhergetrieben?«
    »Ich bin aus Hamburg und habe dort meinen Mann kennengelernt, einen Kapitän. Er hat mich auf eine Westindien-Reise mitgenommen, und dann ist der Dummkopf kurz vor Saint Croix sturzbetrunken über Bord gegangen und wurde Haifischfutter. Die Mannschaft hat sich eingebildet, es hätte ihm Unglück gebracht, dass eine Frau mit an Bord war. Und da wollten sie mich nicht mit zurücknehmen. Also bin ich in Christiansted vom Schiff gegangen und wollte warten, bis mich ein anderer Kapitän mit zurücknimmt. Doch dann bekam ich die Stellung als Haushälterin bei dem Witwer Mister Sullivan und bin geblieben. Und nun diene ich seinem Sohn.«
    »Und warum haben Sie die junge Dame da eben ausgeschimpft?«
    Dass die Frage nicht geschickt war, merkte ich sofort an der Miene von Mister Sullivans Haushälterin. Sie kniff die Augen gefährlich zusammen.
    »Dame?«, spuckte sie verächtlich aus. »Sie haben wohl wirklich keinen Schimmer von unseren Sitten, was?«
    Ich bekam eine dunkle Ahnung, worauf sie anspielte. Ob die schwarze Frau eine Sklavin war? Niemand hat mir je Näheres darüber erzählt, aber ich habe zu Hause manches Gespräch der Erwachsenen belauert. Und manchmal redeten sie unter vorgehaltener Hand darüber, wessen Reichtum in Flensburg auf dem Sklavenhandel beruhte. Vater pflegte stets im Brustton der Überzeugung zu versichern: »Ich würde mit Kühen und Schweinen handeln, aber nicht mit Menschen!« Und ich verstand von dem Gerede der Männer immerhin so viel, dass ich mir das Los eines Sklaven nicht in rosigen Farben ausmalte. Ich hatte sogar mal aufgeschnappt, dass die armen Menschen von ihren Herren geschlagen wurden. Spielte die Haushälterin darauf an? Dass Sklavinnen keine Damen sein konnten?
    »Was hat sie Ihnen getan?«
    »Ich mag nicht, wenn sie im Haus ist. Sie irritiert Mister Sullivan mit ihrem Augenaufschlag. Er ist ein feiner Kerl, der so etwas eigentlich nicht tut, aber wenn Nafia so weitermacht, kann ich für nichts garantieren. Eines Tages verliert er die Beherrschung, und dann ist das Geschrei da draußen groß, und sie schimpfen auf die Weißen, die sich an ihren Töchtern vergehen.«
    Ich schnappte vor Empörung nach Luft. »Sie wollen doch nicht etwa sagen, sie wäre selbst schuld, wenn dieser Mister Sullivan sie vergewaltigen würde?«
    »Genau das! Sie müssen noch viel lernen, wenn Sie hier leben wollen, Misses Hensen!«
    Als sie meinen Namen aussprach, lief es mir trotz der mörderischen Hitze eiskalt den Rücken hinunter. Das durfte ich auf keinen Fall unwidersprochen stehen lassen. So groß war die Insel auch wieder nicht, dass Jakob Hensen davon nicht durch einen dummen Zufall Wind bekommen könnte.
    »Werte Misses … wie heißen Sie eigentlich?«
    »Leyland. Ich bin Misses Leyland.«
    »Verzeihen Sie, Misses Leyland, aber ich glaube, ich habe

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