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Das Haus an der Montego Bay: Roman (German Edition)

Das Haus an der Montego Bay: Roman (German Edition)

Titel: Das Haus an der Montego Bay: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ava Bennett
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glücklicherweise keinen Humor und erklärte mir ernsthaft, Strenge und Härte lerne man im Umgang mit den Sklaven, die ja keine andere Sprache verstünden.
    Dann hielt sie ihre Hand auf und verlangte die erste Monatsmiete. Seufzend zahlte ich noch einmal und nahm mir fest vor, Nafia das Geld wieder abzunehmen, bevor sie es ausgeben konnte. Doch vorher erkundigte ich mich bei der Haushälterin, wo ich einen Schneider finden konnte.
    »Den gibt es nur in Christiansted. Aber wir haben ein Geschäft mit Stoffen. Da können Sie sich eindecken und sich die Kleider von Nafia nähen lassen. Sie näht für alle Frauen im Sullivan-Haus.«
    »Und gibt es denn auch eine Misses Sullivan?«, fragte ich neugierig.
    »Nein, der alte Herr ist ja erst kürzlich verstorben, und sein Sohn muss nun erst einmal in Christiansted bei den Geschäftspartnern seines Vaters Antrittsbesuche machen und auch in Charlotte Amalie ein paar Herren besuchen.«
    »Charlotte Amalie? Das war die Frau des dänischen Königs.«
    »Nach ihr wurde die Hauptstadt der Insel Saint Thomas benannt. Und soviel ich weiß, gibt es da genügend junge Damen, die sich darum reißen, vom jungen Sullivan geheiratet zu werden. Vielleicht kommt er mit einer Braut zurück.«
    »Vielleicht«, wiederholte ich. Dabei hatte ich ihr gar nicht mehr richtig zugehört, denn in Gedanken sah ich mich schon in einem leichten Sommerkleid durch Frederiksted flanieren. Deshalb beschloss ich, die Stoffe sofort auszusuchen.
    All dies geschah an meinem ersten Tag, und wenn ich jetzt an mir hinuntersehe, dann weiß ich, dass es sich gelohnt hat. Das Kleid, das ich heute trage, ist aus leichtem grünen …
    Aber ich will nicht vorgreifen. Ich habe also gleich am ersten Tag – es war inzwischen Nachmittag – die Stoffhandlung aufgesucht. Auf dem Weg dorthin hatte ich ein schlimmes Erlebnis. Man hat einen herrlichen Blick über das Meer, und ich erkannte am Horizont eine Bark, fest davon überzeugt, dass es die Hanne von Flensburg war. Vor lauter Heimweh schossen mir die Tränen in die Augen, und ich wäre am liebsten hingeschwommen. Ich kann sehr gut schwimmen. Vater hat immer gesagt, das muss eine Reederstochter können. Und er hat es meiner Schwester und mir in der kalten Ostsee beigebracht. Damals im Hochsommer hielt ich sie für warm, aber gemessen daran, welche Temperatur das Wasser hier besaß, war sie eisig! Dieses Schiff jedoch würde der beste Schwimmer der Welt nicht erreichen! Ich wandte den Blick zu den Hügeln, die hinter der Stadt lagen, und schluchzte laut auf.
    In der Stoffhandlung von Mister Wu, einem lebhaften Chinesen, wurde meine Laune allerdings schlagartig besser. Ich ließ mir schöne Stoffe zeigen und entschied mich für einen grünen, einen roten und einen blauen. Mister Wu, mit dem ich mich auch nur mit Händen und Füßen verständigen konnte, versprach, die Stoffe gleich am nächsten Tag gegen Barzahlung zu liefern. Man schien einander zu kennen, denn als ich ihm das Haus von Mister Sullivan nannte, rief er erfreut aus: »Yes, Sullivan-House.«
    Ich fand ohne Probleme den Weg zurück, betrat aber nicht das Haus, das wirklich eines der schönsten weit und breit war. Es lag nicht ganz im Ortskern, sondern ein Stück weiter weg vom Meer. Mein Ziel war die Plantage. Ich wollte die junge Schwarze aufsuchen und hatte Glück. Ich war noch gar nicht ganz bei den Hütten, als mir Nafia in Begleitung eines finster dreinblickenden jungen Schwarzen begegnete.
    Erst als Nafia ihm erklärte, wer ich sei, hellte sich seine Miene auf. Ich kämpfte mit mir, ob ich sie vor dem Mann zur Rede stellen sollte, und entschied mich dagegen. Stattdessen schaffte ich es, ihr klarzumachen, dass ich Stoffe gekauft hätte und mir gern ein paar Kleid von ihr schneidern lassen wolle. Sie strahlte über das ganze Gesicht, klatschte in die Hände und bat mich ihr zu folgen.
    »Brother«, sagte sie mit ihrer gurrenden Stimme und zeigte auf den jungen Mann.
    »Dein Bruder?«, gab ich zurück.
    »Bruder!«, wiederholte sie und zog mich mit sich fort. Der Bruder schlenderte in die andere Richtung. Wenn ich dem Blick, den er seiner Schwester zugeworfen hatte, bevor er seiner Wege gegangen war, ein wenig mehr Bedeutung zugemessen hätte, wäre mir viel erspart geblieben. Aber so schoss mir nur kurz die Frage durch den Kopf, warum er sie so drohend ansah. Mochte er es nicht, dass sie für weiße Frauen Kleider nähte?
    Kaum war der Bruder außer Sichtweise, als ich wie ein störrischer Esel stehen

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