Das Haus an der Montego Bay: Roman (German Edition)
Küchenhilfe!«, befahl er in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete. Wollte er damit erreichen, dass sie die Speisen servierte und so öfter ins Haus kam?
»Aber Nafia ist voll und ganz mit Schneidern beschäftigt!«, protestierte ich.
»Meine Frau ist tot. Sie braucht keine schönen Kleider mehr«, schnaubte er und verließ die Hütte. In der Tür drehte er sich noch einmal um. »Sie sind eine wunderschöne Frau, Misses Brodersen, aber Sie sind hier nichts anderes als meine Köchin! Führen Sie sich also nicht auf, als wären Sie die Herrin des Hauses! Zügeln Sie in Zukunft Ihr Mundwerk!«
Ich verzog keine Miene, obwohl ich innerlich kochte. Was bildete sich dieser Sklaventreiber eigentlich ein? Dass er mich wie sein Dienstmädchen behandelt durfte?
Seufzend hockte ich mich neben Marisha und strich ihr zärtlich über die Wangen. Ich weiß nicht, wie lange ich an ihrem Bett sitzen blieb, um zu begreifen, dass ich nun die Köchin im Hause Sullivan war.
Bedauernd packte ich meine Sachen, denn es fiel mir sehr schwer, das schöne Haus zu verlassen. Ich sah aber ein, dass ich gegen den herrischen Mister Sullivan keine Chance hatte. Wenn ich diese Arbeit annehmen wollte, würde ich nach seiner Pfeife tanzen müssen. Ob es mir passte oder nicht. Ich tröstete mich mit dem Gedanken, dass ich sein Haus schließlich immer noch sang- und klanglos verlassen konnte, wenn es mir nicht mehr gefiel.
Misses Leyland starrte mich entgeistert an, als wir uns im Flur begegneten.
»Sind Sie wahnsinnig?«, zischte sie und blickte sich ängstlich nach allen Seiten um. »Wenn Mister Sullivan Sie hier entdeckt. Er ist seit dem Tod sowieso nicht ganz bei sich.«
»Beruhigen Sie sich. Er hat höchstpersönlich angeordnet, dass ich ins Haus ziehe.«
Misses Leyland wurde bleich. »Was … was? Er weiß doch nicht etwa, dass …«
»Mister Sullivan kam in die Küche und wollte Marisha ein Lob aussprechen, doch er fand mich allein vor. Er hat mich gebeten, dass ich die neue Köchin werde. Marisha ist tot.«
»Sie … die neue Köchin?«
»Ja, ich dachte eigentlich, er würde mich fortjagen, aber offenbar hat ihm das heutige Mahl geschmeckt. Und das habe ich gekocht«, erklärte ich der völlig aufgebrachten Misses Leyland. Und damit sie sich nicht noch einmal aufregen musste, erzählte ich ihr auch, dass Nafia meine Küchenhilfe würde.
»O Gott, o Gott«, rief Misses Leyland aus. »Wenn das mal gutgeht. Sie wird es zu weit treiben. Ich ahne es!«
»Misses Leyland! Hören Sie endlich auf damit!«, wies ich die Haushälterin ärgerlich zurecht. »Wenn überhaupt, dann fürchtet sich Nafia vor den möglichen Zudringlichkeiten Mister Sullivans. Und eines dürfen Sie sich sicher sein: Solange Nafia für mich arbeitet, werde ich sie beschützen. Und sollte Mister Sullivan es wagen, sie auch nur einmal anzurühren, wird er mich kennenlernen!«
Misses Leyland machte eine wegwerfende Handbewegung. »Sie haben wirklich keine Ahnung!«
Ich verkniff mir weitere Widerworte. Es hatte keinen Zweck. In diesem Punkt war Misses Leyland völlig verbohrt. Aber ich hatte es niemals ernster gemeint. Sollte sich der feine Herr Nafia in eindeutiger Absicht nähern, würde ich die junge Frau bis aufs Blut verteidigen. Mir war klar, dass ich nicht die Macht besaß, die Sklaverei abzuschaffen, aber ich würde nicht tatenlos zusehen, wie er sich an einer jungen Frau verging.
»Nehmen Sie das größte Zimmer«, erklang nun Mister Sullivans Stimme hinter mir. Zu meiner Verwunderung lächelte er und öffnete mir die Tür zu meinem alten Zimmer.
Misses Leyland stand neben ihm. Sie wirkte wie ein verschrecktes Kaninchen, das vor seinem Jäger stand.
»Werte Miss Leyland«, sagte Mister Sullivan beruhigend. »Schauen Sie nicht so, als würde ich Sie gleich entlassen. Das war nicht richtig von Ihnen, Misses Brodersen bei unseren Sklaven zu verstecken, aber ich kann Ihnen nicht wirklich böse sein. Sie haben uns zu einer würdigen Nachfolgerin für Marisha verholfen.«
Mit diesen Worten nahm er mir meinen Koffer ab und trug ihn ins Zimmer, bevor er sich höflich verabschiedete. Vorher aber machte er mir noch ein Kompliment wegen meiner Englischkenntnisse.
»Konnten Sie das schon vorher?«, fragte er interessiert.
»Nein, ich lerne es erst, seit ich in Ihrem Haus lebe«, erwiderte ich bescheiden.
»Nicht zuletzt dank einer hervorragenden Lehrerin wie Misses Leyland«, fügte ich rasch hinzu.
»Gut gemacht, Misses Leyland. Aber ich glaube, Ihre
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