Das Haus an der Montego Bay: Roman (German Edition)
will dir nichts Böses. Ich bin deine Freundin. Dort, wo ich herkomme, gibt es keine Sklaven. Nur Handelsherren, die sich mit dem Dreieckshandel einst eine goldene Nase verdient haben. Aber mein Vater hat mich so erzogen, dass kein Mensch das Recht hat, andere zu ihrem Eigentum zu machen!«
»Entschuldige, ich weiß, dass du aus einer anderen Welt kommst. Deshalb kannst du auch gar nicht verstehen, in welcher ständigen Angst wir leben. Mister Sullivan könnte alles mit mir tun, wonach ihm verlangt. Er kann mich in sein Bett zerren oder totschlagen.«
»Wenn du sagst, er hat dich nicht geschlagen, hat er dich etwa in sein Bett gezerrt?«
»Nein«, stöhnte Nafia gequält. »Das hat er nicht getan, aber er war kurz davor. Ich habe es an seinem Blick gesehen, und einmal hat er mir befohlen, ihm die frisch genähten Hemden in sein Schlafzimmer zu bringen. Er hat sich angeschlichen und die Arme von hinten um meinen Körper gelegt. Ich bin zusammengezuckt und habe ihn angefleht, mir nichts zu tun. Er hat sofort von mir abgelassen. »Bin ich dir so zuwider?«, hat er mich gefragt. Wie sollte ich ihm das erklären? Er ist ein schöner Mann, aber ich weiß doch, wie es den Frauen ergeht, die ihre Mischlingsbastarde durchbringen müssen, während die weißen Kinder in Saus und Braus aufwachsen!«
Ich hatte meine schwarze Freundin noch nie so aufgebracht erlebt. Ich legte den Arm um sie. »Ist gut, ich war nur neugierig, weil Misses Leyland …« Ich unterbrach mich rasch.
»Ich weiß, dass sie mich für eine Hure hält! Sie glaubt, in den Seelen der Schwarzen wohne der Teufel. Aber die neue Herrin, hat einen Narren an mir gefressen. Sie kann gar nicht genug von den Kleidern bekommen, die ich ihr nähe. Was, wenn sie nun tatsächlich stirbt? Davor habe ich entsetzliche Angst.«
Aus Nafias schwarzen Augen sprach die nackte Panik.
»Aber wer behauptet denn, dass die Herrin stirbt?«, fragte
ich.
»Aber weißt du das denn nicht? Der Arzt geht doch schon Tag und Nacht im Haus ein und aus. Sie sagen, die junge Frau leidet unter Schwindsucht.«
»Das habe ich nicht gewusst. Schließlich halte ich mich vor den Herrschaften verborgen, weil Misses Leyland befürchtet, Mister Sullivan werde keine weiße Hilfe in der Küche dulden.«
Ich wurde sofort an unser Gespräch erinnert, als ich eines Morgens die Kutsche mit dem Sarg vor dem Haus erblickte. Das ging mir sehr nahe, obwohl ich die junge Frau gar nicht gekannt hatte. Ich musste an Nafia denken. Befürchtete sie nun, dass der Herr sich nach einer gewissen Trauerzeit über sie hermachen würde? Ich konnte mir das einfach nicht vorstellen, aber mir blieb an den folgenden Tagen wenig Zeit, darüber nachzudenken, denn nun wurde für die Trauerfeierlichkeiten gekocht. Ich stand ununterbrochen in der Küche. Gemeinsam mit Marisha, um die ich mir große Sorgen machte. Ich hatte den Eindruck, dass das alles viel zu viel für sie war. Sie war ja schließlich auch nicht mehr die Jüngste.
»Willst du dich nicht ein wenig ausruhen? Leg dich hin. Ich mache weiter«, bot ich ihr an, nachdem sie sich mitten beim Kochen erschöpft gegen die Wand gelehnt hatte.
Zu meiner großen Verwunderung nahm sie meine Hilfe an und schleppte sich aus dem Kochhaus ins Freie. Ich konnte mich nicht um sie kümmern, denn es brodelte in allen Töpfen. Marisha hatte die Anordnung erhalten, nicht zu kräftig zu würzen. Man wünschte zur Trauerfeier einen Braten mit Süßkartoffeln und Gemüse. Mir ging alles leicht von der Hand, wie immer, wenn ich am Kochtopf stand. Darüber wunderte ich mich selbst am meisten, hatte ich doch früher unsere Küche nur betreten, um heimlich an dem zu naschen, was unsere Köchin zubereitet hatte.
Das Problem war nur: Wie brachte ich das Essen ins Haus? Das erledigte stets Marisha, weil man mich nicht entdecken sollte. Als Nafia den Kopf zum Kochhaus hineinsteckte, wusste ich, wer die Aufgabe übernehmen würde. Sie war zwar nicht begeistert, aber für mich würde sie alles tun. Also trug sie nacheinander all die Köstlichkeiten ins Haus hinüber. Ich machte mich derweil daran, das Geschirr zu säubern und die Küche wieder herzurichten.
Während ich alles putzte, nahm ich mir vor, danach gleich nach Marisha zu sehen. Es war ungewöhnlich, dass sie gar nicht mehr zurückkehrte. Normalerweise schleppte sie sich in jedem Zustand zur Arbeit. Wenn sie nicht gerade ein hohes Fieber ans Bett fesselte, überließ sie mir das Kochhaus niemals so lange allein.
Als ich Schritte
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