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Das Haus an der Montego Bay: Roman (German Edition)

Das Haus an der Montego Bay: Roman (German Edition)

Titel: Das Haus an der Montego Bay: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ava Bennett
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dass einer, der in seiner Kutsche saß, mein Gesicht im Vorbeipreschen erkennen konnte. Es wäre besser gewesen, den Mund zu halten, aber es juckte mich, ihm zu widersprechen.
    »Werter Herr Hensen, Sie übertreiben. Ich glaube kaum, dass Sie so schnell erfassen können, wer an Ihnen vorüberreitet.«
    Ein Lächeln umspielte seine Lippen. »Sie trugen eine schneeweiße Lingeriebluse und ritten, mit Verlaub, nicht im Damensitz!«
    Mein Gesicht brannte vor Verlegenheit, und ich befürchtete, dass es rot angelaufen war. Mutters strafender Blick bewirkte ein Übriges. Er hatte mich gesehen. Keine Frage. Ich zog es vor, mich wieder in Schweigen zu hüllen, denn mit jedem Wort, das ich mit diesem Herrn wechselte, beging ich anscheinend einen weiteren Fehler.
    Wieder war es Vaters ungnädig klingende Stimme, die mich aufhorchen ließ.
    »Du solltest Herrn Hensen antworten, wenn er schon so freundlich ist, dich trotz deines ungebührlichen Betragens zu einer Jagd einzuladen.«
    Das fehlte mir noch. Niemals würde ich mich an einer Tierhatz beteiligen! »Nein danke. Das Töten von Rehen und Hasen ist nichts für mich!«
    In diesem Moment begann ich mich zu fragen, was dieser ganze Besuch zu bedeuten hatte. Vater hatte bislang immer nur auf den Mann geschimpft, und nun saß er an unserem Tisch und versuchte, sich mit mir zu verabreden. Das hieß doch nicht etwa …? Es war schlicht nicht möglich, dass meine Eltern, die mir sonst jeden Wunsch erfüllten, mich mit diesem Mann verkuppeln wollten!
    Wie dem auch sei, das würde ich mir keinen Augenblick länger ansehen. Ich erhob mich, fasste mir übertrieben auf meinen Bauch und stöhnte auf, als hätte ich Schmerzen.
    »Verzeiht, aber mir ist nicht wohl. Ich ziehe mich zurück. Auf Wiedersehen, Herr Hensen.«
    Ohne eine Reaktion meiner Eltern abzuwarten, verließ ich den Salon, und zwar mit hocherhobenem Haupt. Auch etwas, das Mutter mir auszutreiben versuchte. Du könntest dich doch einfach ein wenig kleiner machen, pflegte sie mir des Öfteren zu raten.
    »Soll ich gebückt gehen?«, fragte ich dann provozierend.
    »Nein, nein, aber du gehst so gerade, als hättest du einen Stock verschluckt«, erwiderte sie dann meist.
    Klein ist der Rumhändler allerdings nicht, dachte ich, während ich mich zornig auf mein Bett warf, er misst bestimmt einen Kopf mehr als ich. Nun, wo ich bäuchlings dalag und grübelte, wurde ich immer wütender. Und ich Dummkopf hatte geglaubt, es wäre Hauke, der gekommen war, um meinen Eltern die Aufwartung zu machen. Was bildete sich der alte Mann ein? Dass er mein Interesse erwecken würde? Da hatte er sich aber geirrt.
    Ich sprang auf und riss das Fenster auf. Von hier hatte ich einen Blick über den Hafen. Dort lag eines von Vaters Schiffen, das demnächst nach Westindien auslaufen sollte, das aber, wollte man dem Gerede der Erwachsenen Glauben schenken, noch nicht genug Fracht an Bord hatte. Ich erinnerte mich, dass, wenn ich als Kind zum Fenster hinausgeschaut hatte, ein Schiff neben dem anderen gelegen hatte. Plötzlich überkam mich ein entsetzlicher Gedanke. Ob meine Eltern vorhatten, mich als Teil eines Geschäfts zu verscherbeln?
    Doch gleichgültig, welche Pläne sie für meine Zukunft hatten, ich würde ihnen einen Strich durch die Rechnung machen und Hauke … ich konnte hier nicht untätig herumsitzen, fiel es mir plötzlich wie Schuppen von den Augen, ich musste zu ihm! Er wohnte nicht im Nachbarhaus wie der Neffe von dem reichen Hensen, dieser unmögliche Christian, sondern in dessen Geschäftshaus unten am Hafen. Dorthin würde ich mich jetzt umgehend aufmachen und ihm erzählen, dass der alte Hensen offenbar auf Freiersfüßen wandelte.
    Ich riss mir das Kleid förmlich vom Leib und stieg in mein Alltagskleid, das ich getragen hatte, bevor Mutter mir befohlen hat, mich herauszuputzen. Auf Zehenspitzen schlich ich die Treppe in die Diele hinunter und war erleichtert, als ich bei der Haustür angelangt war. Doch just in dem Moment hörte ich die mahnende Stimme meines Vaters: »Hiergeblieben, junges Fräulein!«
    Erschrocken wandte ich mich um. Ich wollte es bestimmt nicht, aber ein Gefühl von Mitleid durchfuhr mich. Ich hatte ihn selten so kümmerlich erlebt. Wo war mein starker Vater geblieben? Er war ja nur noch ein Schatten seiner selbst. Mir wurde flau zumute. Es hatte keinen Sinn, länger so zu tun, als ginge mich sein wirtschaftlicher Niedergang nichts an. In einem Impuls von unendlicher Liebe fiel ich ihm um den

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