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Das Haus an der Montego Bay: Roman (German Edition)

Das Haus an der Montego Bay: Roman (German Edition)

Titel: Das Haus an der Montego Bay: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ava Bennett
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geschert und gleich noch einmal mit Hauke getanzt. Er hat mich ganz eng an sich gezogen beim Walzer, so eng, dass –
    Zwei Stunden später:
    Es ist nicht zu fassen, was in den vergangenen zwei Stunden geschehen ist. Wie ein schlimmer Traum, aus dem man gern aufwachen würde, aber es geht nicht. Mutter kam vorhin, als ich endlich über Hauke schreiben wollte, in mein Zimmer mit der Bitte, dass ich mein schönstes Kleid anziehen solle. Sie hatte verquollene Augen. Ich vermute, sie hat geweint. Aber sie wollte mir nicht sagen, warum ich mich hübsch machen sollte. Nur, dass wir Besuch erwarten würden. Da schlug mein Herz plötzlich bis zum Hals, denn ich war mir sicher, dass es sich um Hauke handelte, der meinen Eltern seine Aufwartung machte. Ich bin ein paarmal durch mein Zimmer getanzt vor Freude und habe dann das süßeste Kleid angezogen, das ich besitze: ein hellblaues Taftkleid mit einem goldenen Muster. Es bringt meine Schultern vorteilhaft zur Geltung. Ich legte natürlich eine Stola um, die dann im richtigen Augenblick versehentlich von meiner Schulter rutschen würde. Ach, war ich aufgeregt, als ich die Treppen hinunterschwebte. Aus dem Salon hörte ich schon Stimmen. Die eine gehörte Vater und die andere … Haukes Stimme war es nicht! Enttäuscht wollte ich auf dem Absatz kehrtmachen, in mein Zimmer zurückeilen und mich umziehen, aber da kam mir Mutter mit ausgebreiteten Armen entgegen und überschlug sich mit Komplimenten.
    Doch ich zog ein langes Gesicht. »Wer ist der Besuch?«, fragte ich aufgebracht.
    Sie aber blieb mir die Antwort schuldig und zog mich mit sich in den Salon. Ehe ich michs versah, stand ich vor dem Tisch, an dem Vater und ein Herr saßen. Der Mann sprang von seinem Stuhl auf und begrüßte mich überschwänglich, als würden wir uns schon eine Ewigkeit kennen. Erst in dem Moment erkannte ich ihn. Es war kein Geringerer als dieser reiche Spirituosenhändler, der im Rat der Stadt sitzt, Vater das Nachbarhaus vor der Nase weggekauft und sich die Hälfte unseres Parks unter den Nagel gerissen hat. Pit Hensen!
    Fragend sah ich an ihm vorbei, erst zu Vater, dann zu Mutter. Das konnte nur ein Versehen sein, dass sie ausgerechnet diesen Kerl zum Essen eingeladen hatten und von mir verlangten, dass ich bei ihm einen guten Eindruck machte. Und was, wenn er ihnen verriet … ich wurde rot, denn ich hatte den Eltern nichts von unserer Begegnung erzählt. Es war neulich im Park. Der Kerl saß doch tatsächlich auf meiner alten Bank unter meinem Apfelbaum mit Blick auf den Wasserfall. Ich war so wütend, denn für einen winzigen Moment hatte ich verdrängt, dass das alles jetzt ihm gehört, und ihn frech gefragt, was er in unserem Garten zu suchen habe. Er erwiderte, dass es sein Grundstück wäre, und grinste dabei so selbstgerecht, dass ich ihm die Zunge herausgestreckt habe, bevor ich fluchend davongerauscht bin. Er ist ein schrecklicher Mensch und bestimmt schon so alt wie Vater. Was, wenn er meinen Eltern von meinem ungebührlichen Benehmen berichtet? Mutter würde in Ohnmacht fallen.
    »Schön, Sie zu sehen, Fräulein Asmussen«, säuselte er zur Begrüßung und gab mir zu meinem Entsetzen einen Handkuss. Wieder suchte ich die Blicke meiner Eltern, doch zu meiner Empörung lächelten sie falsch. Was wurde hier gespielt, fragte ich mich, und mir wurde zunehmend unwohl. Der Nachbar rückte mir meinen Stuhl zurecht. Man hatte ihm gegenüber für mich gedeckt. Ich nahm mir vor, meinen Unmut über dieses Essen durch hartnäckiges Schweigen zu zeigen. Und so redete ich kein Wort. Mutter, die neben mir saß, stieß mich mehrfach leicht an, aber ich kümmerte mich nicht darum. Bis Vater mit einem unüberhörbaren Vorwurf in der Stimme darauf aufmerksam machte, dass Herr Hensen ihn auf meine Vorliebe für das Reiten angesprochen habe. Ich hob nur kurz den Blick, den ich bis dahin streng in den Teller versenkt hatte.
    »Ja, ich liebe das Reiten«, bemerkte ich knapp.
    Er lächelte wissend. Ich zog die Mundwinkel noch weiter nach unten.
    »Davon durfte ich mich neulich überzeugen, als ich in der Kutsche von einer Reise aus Altona zurückkehrte. Sie kamen uns kurz vor der Stadtgrenze im rasenden Galopp entgegen, sodass unsere Pferde beinahe gescheut hätten.«
    Ich war sicher, er sagte nicht die Wahrheit. Es stimmte zwar, dass ich manchmal mein Pferd nahm und aus der Stadt über Land in Richtung Schleswig ritt. Und manchmal schaffte ich es sogar bis dorthin, aber ich konnte mir kaum vorstellen,

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