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Das Haus an der Montego Bay: Roman (German Edition)

Das Haus an der Montego Bay: Roman (German Edition)

Titel: Das Haus an der Montego Bay: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ava Bennett
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verstanden, wenn er mich verachtete.
    Plötzlich beschleunigte sich mein Herzschlag. Mir wurde klar, dass er trotz allem an seinem Antrag festhalten wollte.
    »Wie meinen Sie das? Meine Zukunft?«, gab ich zaghaft zurück.
    »Das wissen Sie doch genau«, entgegnete er in zärtlichem Ton. »Ich möchte wissen, ob Sie angesichts der Flucht Ihres Galans meinen Antrag noch einmal überdenken würden.«
    Ehe ich es mich versah, hatte ich ausgesprochen, was ich ganz und gar nicht wollte. »Ihnen kommt dieses plötzliche Verschwinden Hauke Jessens offenbar äußerst entgegen. Wer sagt mir, dass Sie kein Wolf im Schafspelz sind und das alles inszeniert haben?«
    »Aber so weit waren wir schon. Für so dumm können Sie mich doch nicht halten!«
    »Ach, was weiß ich? Aber Sie müssen zugeben, dass es Ihnen in den Kram passt, nicht wahr?«
    Pit Hensen stieß einen Seufzer aus. »Ich halte Hauke Jessen für einen Schwachkopf, dass er, aus welchen Gründen auch immer, darauf verzichtet, von Ihnen geliebt zu werden. Dafür, dass Sie mir Ihre Zuneigung entgegenbringen, würde ich einiges geben.«
    Wir sahen uns immer noch in die Augen. Erst jetzt registrierte ich, dass sie von einem ähnlichen Blau wie die von Hauke Jessen waren. Auf merkwürdige Weise fühlte ich mich mit einem Mal von ihnen angezogen. Ohne den Blick abzuwenden, hörte ich mich wie von ferne sagen: »Gut, ich werde Ihre Frau. Aber erwarten Sie nicht, dass ich mich vor Liebe nach Ihnen verzehre.«
    Ein Lächeln erhellte sein Gesicht. Dann nahm er meine Hände und hielt sie ganz fest. »Sie machen mich zum glücklichsten Mann der Stadt«, murmelte er ergriffen.
    »Freuen Sie sich nicht zu früh«, entgegnete ich steif. Und als hätte ich ihn damit nicht schon genug getroffen, fügte ich kalt hinzu: »Ich nehme Ihren Antrag allein aus Vernunftgründen an. Was bleibt mir für eine Wahl. Womöglich ist dank Ihres Neffen die Nachricht bald in ganz Flensburg rum, dass man mich hat sitzen lassen. Keiner wird sich danach drängen, mich noch zur Frau zu nehmen, außer …« Ich unterbrach mich, wusste ich doch selbst nicht, warum ich so garstig werden musste.
    »Sagen Sie es nur. Außer ein Narr wie ich!«, vollendete er meinen Satz ungerührt. Immer noch sahen wir einander fest in die Augen. In seinem Blick lag keinerlei Ausdruck von Zugewandtheit mehr. Im Gegenteil, ich spürte, wie er mit seiner Geduld am Ende war. Und ich wusste, dass ich auf keinen Fall wollte, dass er seinen Antrag zurücknahm. Im Gegenteil, die Vorstellung, seine Frau zu werden, war lange nicht mehr so erschreckend wie einst.
    »Entschuldigen Sie bitte, Pit, meine Wut gilt nicht Ihnen, sondern diesem Feigling von Hauke Jessen«, gab ich ehrlich zu.
    Er aber verzog keine Miene.
    Ich habe den Bogen überspannt, schoss es mir durch den Kopf. Ich war mir in diesem bangen Moment so gut wie sicher, er würde einen Rückzieher machen. Doch stattdessen brach er unvermittelt in schallendes Gelächter aus. »Freuen Sie sich nicht zu früh«, prustete er heraus. »So schnell gebe ich nicht auf! Wollen wir zusammen zu Ihrem Vater gehen, oder möchten Sie bis nach der Beerdigung warten?«
    Er strich zärtlich über meine Wangen, und ich zuckte nicht einmal zurück.
    »Wir gehen jetzt. Ich weiß, dass wir ihm eine große Freude bereiten – und unter uns, ich habe es meiner Mutter versprechen müssen. Aber ich habe so geschworen …« Ich zeigte ihm, wie ich den Schwur mit der anderen Hand hinter meinem Rücken zurückgenommen hatte. Er lachte noch lauter. »Ich weiß, dass ich ein Risiko eingehe, Sie zur Frau zu nehmen, aber ich kann mir nicht helfen. Es besteht immerhin die Möglichkeit, dass wir viel Spaß miteinander haben werden …«
    Es war seine Art, mich dabei verschmitzt anzusehen, die das Eis in meinem Herzen zum Schmelzen brachte. Ich konnte gar nichts dagegen tun. Ich fiel in sein Lachen ein und fand, er sah in diesem Augenblick aus wie ein Junge, der einen Streich ausgeheckt hatte. Von einem alten Mann hatte er jedenfalls nichts mehr!

7
Montego Bay, Jamaika, April 1883
    V alerie kam sich wie eine Einsiedlerin vor, seit sie nicht mehr zu den Teegesellschaften ihrer alten Freundinnen eingeladen war. Am schmerzhaftesten vermisste sie Cecilys Gesellschaft. Aber was sollte sie tun? Cecily meldete sich einfach nicht mehr bei ihr. Und sie konnte ja schlecht im Haus der Fullers aufkreuzen, um sie zur Rede zu stellen. Viel zu groß war die Gefahr, dem feigen James, seinem widerlichen Bruder Richard

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