Das Haus auf den Klippen
er, sie könne Menleys Worte verstehen.
Später hatte Menley ihm erklärt: »In dem Augenblick, als
man sie mir gegeben hat, hab ich gerade den Moment wieder
erlebt, als ich Bobby nach dem Unfall im Arm hielt. Es war das
erstemal, daß ich wirklich wußte, was ich damals empfand.«
Das war der Anfang dessen, was die Ärzte als posttraumatisches Streßsyndrom bezeichneten. Der erste Monat war sehr
schwierig gewesen. Hannah hatte als Kolikbaby begonnen und
stundenlang geschrien. Sie hatten eine Säuglingsschwester, die
auch bei ihnen übernachtete, doch eines Nachmittags, als die
Schwester Besorgungen machte, hatte die Kleine lauthals zu
schreien begonnen. Adam kam heim und fand Menley auf dem
Boden vor, wo sie blaß und bebend neben dem Babykörbchen
saß, die Finger in den Ohren. Doch wie durch ein Wunder verwandelte dann eine neue Sorte Babynahrung Hannah in einen
heiteren Säugling, und Menleys Angstanfälle hörten weitgehend
auf.
Trotzdem hätte ich sie nicht so bald alleine lassen sollen,
überlegte Adam. Ich hätte darauf bestehen sollen, daß wenigstens die Babysitterin über Nacht dableibt.
Um sieben Uhr hielt er es nicht länger aus. Er rief Cape Cod
an.
Als Menleys Stimme erklang, durchlief ihn eine Welle der Erleichterung. »Ihre Hoheit hat dich wohl früh geweckt, mein
Schatz?«
»Nur ein bißchen. Wir mögen den Morgen.«
Irgendetwas lag in Menleys Stimme. Adam verkniff sich die
Frage, die ihm viel zu leicht entschlüpfte. Bist du okay? Menley
konnte es nicht ausstehen, wenn er sich ständig Sorgen um sie
machte.
»Ich komm dann mit der Vier-Uhr-Maschine. Willst du Amy
für Hannah kommen lassen, damit wir zum Essen gehen können?«
Ein Zögern. Was stimmte nicht? Doch dann sagte Menley:
»Das klingt sehr gut. Adam…«
»Was ist denn, Schatz?«
»Nichts. Bloß, daß du uns fehlst.«
Nachdem er eingehängt hatte, rief er gleich die Fluglinie an.
»Gibt es noch eine frühere Maschine, die ich nehmen kann?«
fragte Adam. Er würde mittags mit dem Termin im Gerichtshof
fertig sein. Es gab einen Flug um halb zwei, den er vielleicht
erwischen konnte.
Irgendetwas stimmte nicht, und das Schlimmste daran war,
daß ihm Menley bestimmt nicht sagen würde, was es war.
17
E
laine Atkins’ Immobilienagentur lag an der Main Street in
Chatham. Lage, Lage, Lage, dachte sie, als ein vorübergehender Fußgänger stehenblieb, um die Fotos, die sie von verfügbaren Häusern gemacht hatte, zu betrachten. Seit sie in die Main
Street umgezogen war, hatten die spontanen Kundenbesuche
deutlich zugenommen, und mehr und mehr war es ihr gelungen,
diese Anzeichen vorläufigen Interesses in einen hervorragenden
Anteil an Verkäufen zu verwandeln.
Diesen Sommer hatte sie einen neuen Trick ausprobiert. Sie
hatte Luftaufnahmen von besonders günstig gelegenen Häusern
machen lassen. Eines davon war das Remember House. Als sie
heute morgen um zehn zur Arbeit erschienen war, hatte Marge
Salem, ihre Assistentin, ihr berichtet, daß es bereits zwei Anfragen danach gegeben habe.
»Diese Luftaufnahme erzielt wirklich ihren Zweck. Glauben
Sie denn, daß es klug war, das Haus an die Nichols’ zu vermieten, ohne sie um die Genehmigung zur Besichtigung zu bitten?«
»Es war nötig«, erwiderte Elaine knapp. »Adam Nichols ist
kein Typ, der gern Menschenscharen durch ein Haus laufen laßt,
das er gemietet hat, und er hat gutes Geld dafür bezahlt. Aber
wir verlieren keinen Abschluß. Ich hab das Gefühl, daß die Nichols’ sich dazu entschließen, das Anwesen zu kaufen.«
»Ich hätte eher gedacht, daß er sich in Harwich Port umsieht.
Dort stammt doch seine Familie her, und da haben sie immer
den Sommer verbracht.«
»Ja, aber Adam hat Chatham schon immer gemocht. Und er
hat einen Blick dafür, wenn sich ein gutes Geschäft bietet. Außerdem besitzt er lieber was, als es zu mieten. Ich glaube, es tut
ihm leid, daß er das Haus seiner Familie nicht gekauft hat, als es
seine Mutter verkaufte. Wenn seine Frau sich hier wohl fühlt,
dann haben wir einen Kunden. Warten Sie nur ab.« Sie lächelte
Marge an. »Und falls er es doch nicht kauft, nun, Scott Covey
liebt dieses Haus. Wenn sich die Lage wieder für ihn beruhigt
hat, dann ist er bestimmt interessiert. Er will Vivians Haus sicher nicht behalten.«
Marges freundliches Gesicht wurde ernst. Die fünfzigjährige
Hausfrau hatte am Anfang des Sommers für Elaine zu arbeiten
begonnen und fand, daß ihr das Maklergeschäft ausgesprochen
Spaß
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