Das Haus auf den Klippen
Wiege hinüber. »Mal sehen.«
Auf dem schmalen Bett im Zimmer lagen zwei Kissen. Sie
steckte eines in die Wiege, legte die noch immer protestierende
Hannah darauf und deckte sie mit der leichten Steppdecke zu.
Dann setzte sie sich auf den Bettrand und begann die Wiege zu
schaukeln. Hannahs Protestgeschrei verebbte. Innerhalb weniger
Minuten fielen ihr die Augen zu.
Auch Menley wurden die Augenlider schwer. Ich sollte diesen
Badeanzug ausziehen, bevor ich einschlafe, dachte sie. Aber
mittlerweile ist er knochentrocken, also was soll’s? Sie legte
sich hin und zog die Wolldecke, die am Fußende des Bettes zusammengefaltet lag, zu sich herauf. Hannah wimmerte. »Okay,
okay«, murmelte Menley, streckte die Hand aus und schaukelte
die Wiege wieder sanft hin und her.
Sie wußte nicht, wieviel Zeit vergangen war, als das Geräusch
leichter Schritte sie weckte. Als sie die Augen aufschlug, wurde
ihr bewußt, daß sie dies geträumt haben mußte, denn es war
niemand da. Aber Kühle hatte sich im Zimmer breitgemacht.
Das Fenster war offen, und der Wind mußte zugenommen haben. Sie blinzelte und schaute über den Bettrand. Hannah schlief
selig.
Junge, bekommst du einen Service, mein Kind, dachte sie.
Sogar im Schlaf bediene ich dich noch!
Die Wiege bewegte sich hin und her.
21
D
as ist ein wunderbares Haus«, sagte Scott Covey, als er
Adam in die Bibliothek folgte. »Meine Frau und ich haben
es uns noch ein paar Tage vor ihrem Tod angeschaut. Sie wollte
ein Angebot dafür machen, aber als waschechte Neuengländerin
wollte sie keinesfalls zu interessiert erscheinen.«
»Das hat mir Elaine erzählt.« Adam wies auf einen der ramponierten Klubsessel bei den Fenstern und setzte sich in den
anderen. »Ich brauche wohl nicht zu erwähnen, daß die Möbel
hier Überreste vom Trödelmarkt sind.«
Covey lächelte kurz. »Viv war ganz versessen darauf, zu Antiquitätenläden zu gehen und die Räume wirklich wieder so auszustaffieren, wie sie Anfang des achtzehnten Jahrhunderts aussahen. Im letzten Sommer hatte sie eine kurze Zeit für eine Innenarchitektin gearbeitet. Sie war wie ein Kind in der Konditorei bei der Aussicht, dieses Haus selbst einzurichten.«
Adam wartete ab.
»Ich komme wohl lieber zur Sache«, sagte Covey. »Zunächst,
danke, daß Sie mit mir reden. Ich weiß, Sie haben Urlaub, und
ich weiß, daß Sie es nicht getan hätten, wenn Elaine Sie nicht
darum gebeten hätte.«
»Das stimmt. Elaine kenne ich schon lange, und sie ist offensichtlich überzeugt, daß Sie Hilfe brauchen.«
Covey hob in einer hilflosen Geste die Hände. »Mr. Nichols –«
»Adam.«
»Adam, ich verstehe ja, warum soviel geredet wird. Ich bin
fremd hier. Vivian war reich. Aber ich schwöre auf die Bibel,
ich hatte keine Ahnung, daß sie soviel Geld hatte. Viv war ein
schrecklich unsicherer Mensch und konnte ziemlich verschlossen sein. Sie hat mich geliebt, aber sie fing gerade erst an zu
verstehen, wie sehr ich sie liebte. Ihr Selbstbewußtsein war miserabel. Sie hatte solche Angst, die Leute würden sich bloß wegen ihrer Herkunft und ihres Geldes mit ihr abgeben.«
»Weshalb war ihr Selbstwertgefühl so schlecht?«
Coveys Gesichtsausdruck wurde bitter. »Ihre ganze verdammte Familie. Sie haben sie ständig runtergemacht. Eigentlich woll
ten ihre Eltern sie gar nicht haben, und als sie auf die Welt kam,
haben sie versucht, ein Abziehbild ihrer Schwestern aus ihr zu
machen. Ihre Großmutter war die einzige Ausnahme. Sie hat
Viv verstanden, war aber leider pflegebedürftig und verbrachte
fast die ganze Zeit in Florida. Viv hat mir erzählt, daß ihre
Großmutter ihr einen Millionen-Fonds vermacht hat und sie das
Geld vor drei Jahren, als sie einundzwanzig wurde, bekommen
hat. Sie hat mir gesagt, sechshunderttausend hätte sie für das
Haus bezahlt und von dem Rest lebte sie und bis zu ihrem fünfunddreißigsten Geburtstag würde sie keinen weiteren Groschen
bekommen. Nach allgemeinen Maßstäben war sie gut situiert,
aber ich war der Meinung, daß der Rest aus dem Fonds wieder
an das Vermögen ihrer Großmutter zurückgehen würde, falls ihr
etwas passiert. Ja, ich habe auf ihren Tod hin das Haus gekriegt,
aber ich bin nie auf die Idee gekommen, ihr übriges Vermögen
wäre mehr als ein paar hunderttausend Dollar wert. Ich hatte
wirklich keine Ahnung, daß sie schon fünf Millionen Dollar
bekommen hatte.«
Adam verschränkte die Hände ineinander und blickte zur
Zimmerdecke hinauf, während er laut
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