Das Haus auf den Klippen
aus der
Sache raus.«
Hendin stellte sein Bier ab und erhob sich. Es war unmißverständlich, daß er nicht bereit war, mehr über Tina zu erörtern.
Nat lehnte sich tiefer in den Sessel zurück und spürte dabei
die scharfen Kanten von gebrochenem Plastik rings um die abgewetzten Stellen hinter seinem Kopf. »Dann waren Sie damals
natürlich auch völlig einverstanden mit Tinas Besuch bei Scott
Covey, als seine Frau noch vermißt war.«
Volltreffer, dachte Nat, als er sah, wie sich Hendins Miene
verdüsterte. Eine leise Röte überzog sein Gesicht, wodurch die
ausgeprägten Wangenknochen noch mehr hervortraten. »Ich
finde, wir haben genug geredet«, sagte er lapidar.
37
E
s war ein bemerkenswert angenehmer Tag gewesen. Wie es
gelegentlich vorkam, hatte Phoebe aus unerfindlichen
Gründen kurze Momente von klarem Bewußtsein gezeigt.
Einmal hatte sie sich nach den Kindern erkundigt, und Henry
veranlaßte daraufhin rasch ein Konferenzgespräch. Als er auf
der einen Leitung mithörte, bekam er die Freude in Richards und
Joans Stimme mit, als sie mit ihrer Mutter sprachen. Ein paar
Minuten lang hatte ein echter Gedankenaustausch stattgefunden.
Dann fragte sie: »Und wie geht’s…«
Henry verstand die Pause. Phoebe suchte nach den Namen der
Enkelkinder. Er beeilte sich, sie beizusteuern.
»Ich weiß.« Jetzt klang Phoebes Stimme ärgerlich. »Wenigstens hast du nicht wieder mit den Worten angefangen: ›Weißt
du noch…‹« Ihr Seufzer war ein zorniger Vorwurf.
»Dad«, sagte Joan, den Tränen nahe.
»Ist alles okay«, warnte er sie.
Ein Klicken sagte ihm, daß Phoebe aufgelegt hatte. Die wunderbaren Augenblicke der Gnadenfrist waren offenbar vorüber.
Henry blieb noch lange genug am Telefon, um seinen Kindern
mitzuteilen, das Pflegeheim habe ab Anfang September einen
Platz zur Verfügung.
»Nimm ihn für sie«, sagte Richard entschieden. »Wir kommen runter und bleiben über das verlängerte Wochenende ah
Labor Day.«
»Wir auch«, schloß sich Joan an.
»Ihr seid gute Kinder«, erwiderte Henry und bemühte sich,
die Heiserkeit, die sich in seiner Kehle bemerkbar machte, zu
unterdrücken.
»Ich will mit jemand Zusammensein, der in mir noch das
Kind sieht«, sagte seine Tochter mit belegter Stimme zu ihm.
»Also dann bis in ein paar Wochen, Dad«, sagte Richard trö
stend. »Laß dich nicht unterkriegen.«
Henry war an dem Nebenapparat im Schlafzimmer gewesen,
Phoebe bei dem in ihrem alten Arbeitszimmer. Nun hastete Henry, den die Sorge nie losließ, Phoebe könne innerhalb eines
Bruchteils von Sekunden wieder weglaufen, in die Eingangshalle. Aber sie war nicht vom Fleck gewichen; er fand sie an ihrem
Schreibtisch vor, dort, wo sie so viele produktive Stunden verbracht hatte.
Die unterste Schublade, die so viele Unterlagen enthalten hatte, war herausgezogen und leer. Phoebe starrte hinein. Ihre Haare, die sie früher immer in einem glatten Chignon getragen hatte,
lösten sich von den Haarklammern, mit denen Henry versucht
hatte, einen Knoten festzustecken.
Sie drehte sich um, als sie ihn hereinkommen hörte. »Meine
Notizen.« Sie deutete auf die leere Schublade. »Wo sind sie?«
Selbst jetzt noch enthielt er ihr nicht die Wahrheit vor. »Ich
hab sie Adams Frau geliehen. Sie wollte sie für ein Buch einsehen, das sie schreiben will. Sie wird deinen Namen angeben,
Phoebe.«
»Adams Frau.« Der irritierte Ausdruck in ihrem Gesicht verwandelte sich zu einem rätselnden Stirnrunzeln.
»Sie war gestern hier. Sie wohnt mit Adam im Remember
House. Sie schreibt ein Buch über die Zeit, als das Haus gebaut
wurde, und will die Geschichte von Kapitän Freeman benützen.«
Phoebe Spragues Blick bekam etwas Träumerisches. »Jemand
sollte Mehitabels Ruf wiederherstellen«, sagte sie. »Das ist es,
was ich machen wollte. Jemand sollte sich Tobias Knight ge
nauer ansehen.«
Sie knallte die Schublade zu. »Ich hab Hunger. Ich hab ständig Hunger.«
Als dann Henry auf sie zuging, schaute sie ihm direkt ins Gesicht. »Ich liebe dich, Henry. Bitte, hilf mir.«
38
A
ls Hannah am Spätnachmittag aufwachte, gingen Menley
und Adam kurz schwimmen. Zum Grundbesitz des Remember House gehörten Strandprivilegien, was bedeutete, daß
zwar jedermann dort am Strand entlanglaufen, sich aber niemand dort niederlassen durfte.
Die Wärme des Tages war nun schon von Anzeichen des
Frühherbstes durchzogen. Der Wind war kühl, und es kamen
keine Spaziergänger mehr vorbei.
Adam saß neben Hannah, die bequem abgestützt
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