Das Haus auf den Klippen
in dem zusammenklappbaren Kinderwagen saß, während Menley
schwamm. »Deine Mama hat das Wasser wirklich gern, Hä
schen«, sagte er, den Blick auf Menley gerichtet, die in die zunehmend stärkeren Wellen tauchte. Bestürzt stand er auf, als er
merkte, daß sie sich noch weiter hinauswagte. Schließlich ging
er zum Rand des Wassers und winkte ihr zu, sie möge doch zurückkommen.
Hatte sie ihn nicht gesehen oder nur so getan, als sähe sie ihn
nicht? fragte er sich, als sie noch weiter hinausschwamm. Ein
enorme Welle bildete sich, schäumte auf und krachte nieder. Sie
ließ sich davon tragen und tauchte spuckend und lächelnd, die
salzigen Haare im Gesicht, aus der Brandung auf.
»Phantastisch!« jubelte sie.
»Und gefährlich. Menley, das hier ist der Atlantik.«
»Ach nee: Ich dachte schon, das ist ein Planschbecken.«
Zusammen liefen sie dorthin, wo Hannah noch dasaß und
friedlich einer Möwe zuschaute, die am Strand entlanghüpfte.
»Men, ich mache keine Witze. Wenn ich nicht da bin, will ich
nicht, daß du so weit rausschwimmst.«
Sie blieb stehen. »Und vergiß ja nicht, das Babyphon anzulassen, wenn deine Tochter schläft. Richtig? Und fändest du’s denn
nicht nett, wenn Amy über Nacht bleibt? Um auf mich, nicht auf
Hannah aufzupassen, auf mich? Richtig? Und ist deine kleine
Waffe etwa nicht die stille Drohung, daß wir rund um die Uhr
’ne Haushaltshilfe brauchen, weil ja vielleicht dieses posttraumatische Streßzeugs Ärger macht? Schließlich hab ja ich den
Wagen vor die Eisenbahn gefahren, als dein Sohn ums Leben
kam.«
Adam packte sie am Arm. »Menley, laß das. Verdammt. Du
wirfst mir ständig vor, daß ich dir Bobbys Tod nicht verzeihe,
aber hier geht’s überhaupt nicht um Schuldzuweisung. Das einzige Problem ist, daß du dir selber nicht verzeihen kannst.«
Erstarrt gingen sie in dem Bewußtsein zum Haus zurück, daß
jeder den anderen tief verletzt hatte und sie sich eigentlich aussprechen sollten. Doch als sie die Haustür aufmachten, klingelte
gerade das Telefon, und Adam lief hin. Eine Aussprache mußte
später stattfinden. Menley warf sich ein Handtuch über den
feuchten Badeanzug, hob Hannah aus dem Wagen und lauschte.
»Elaine! Grüß dich.«
Menley beobachtete, wie seine Miene besorgt wurde. Was
sagte wohl Elaine zu ihm? überlegte sie. Und dann einen Moment später: Was meinte er damit, als er sagte, »Danke, daß du
mir das erzählt hast«?
Dann änderte sich sein Tonfall und wurde wieder unbeschwert. »Morgen abend? Tut mir leid, aber ich muß wieder
nach New York. Aber hör mal, vielleicht will ja Menley…« Nein, dachte Menley.
Adam deckte die Sprechmuschel mit einer Hand ab. »Men,
Elaine und John gehen morgen abend zum Captain’s Table in
Hyannis essen. Sie wollen gern, daß du mitkommst.«
»Vielen Dank, aber ich will einfach daheimbleiben und arbeiten. Ein andermal.« Menley liebkoste Hannah. »Du bist ein tolles Kind«, murmelte sie.
»Men, Elaine möchte wirklich gern, daß du kommst. Ich mag
die Vorstellung einfach nicht, daß du hier alleine bist. Warum
willst du denn nicht? Du kannst dir doch Amy für ein paar Stunden herholen.«
Die stille Drohung, dachte sie. Geh und zeig, wie gern du unter Menschen gehst, sonst will Adam, daß ständig jemand bei dir
ist. Sie zwang sich ein Lächeln ab. »Das klingt wunderbar.«
Adam sprach wieder ins Telefon. »’Laine, Menley würde sehr
gern kommen. Sieben Uhr war in Ordnung.« Er deckte wieder
die Sprechmuschel ab und sagte: »Men, sie fänden es eine gute
Idee, wenn Amy hier übernachtet. Sie wollen nicht, daß sie noch
spät heimfährt.«
Menley musterte Adam. Ihr war bewußt, daß selbst Hannah
spürte, wie angespannt sie war. Das Baby hörte auf zu lächeln
und begann zu wimmern. »Sag ’Laine«, erklärte Menley und
betonte dabei den Namen und ebenso Adams persönliche Abkürzung, »daß ich bestens in der Lage bin, hier im Haus oder
sonstwo allein zu sein, und wenn Amy nicht an einem Sommerabend um zehn Uhr nach Hause fahren kann, dann ist sie zu unreif, um auf mein Kind aufzupassen.«
Beim Abendessen begann die eisige Stimmung aufzutauen. Während Menley Hannah fütterte und badete, fuhr Adam rasch zum
Markt und kam mit frischem Hummer, Brunnenkresse, grünen
Bohnen und einem knusprigen Laib italienischen Brots zurück.
Sie bereiteten gemeinsam das Essen vor, tranken, solange die
Hummer auf dem Herd standen, etwas kalten Chardonnay und
nahmen danach ihre Espressotassen mit,
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