Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Haus auf den Klippen

Das Haus auf den Klippen

Titel: Das Haus auf den Klippen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
Vom Netzwerk:
deutlich ins Auge fallendes Zeichen von Johns Großzügigkeit.
Und die andere Seite der Medaille ist, sagte sich Menley beim
Nachtisch, daß John in der Tat schrecklich gern über das Versicherungsgeschäft redet und keine Witze erzählen sollte. Sie war
an Adams schnellen, scharfen Geist gewöhnt, und es war qualvoll, John wieder einmal damit anfangen zu hören: »Das erinnert mich an eine Geschichte über…«
Einmal, während einer langwierigen Litanei, blickte Scott
Covey mit erhobener Augenbraue zu ihr herüber, und sie spürte,
wie ihr die Lippen zuckten. Mitverschwörer, dachte sie.
Aber John war ein verläßlicher, guter Mensch, und eine Menge Frauen würden Elaine sicher beneiden.
Nichtsdestotrotz war Menley, als sie dann vom Tisch aufstanden, mehr als bereit, ja erpicht, wieder heimzukommen. John
schlug vor, ihr mit Elaine bis zur Tür zu folgen, um sicherzugehen, daß sie gut nach Hause kam.
»O nein, bitte, ich komm zurecht.« Sie bemühte sich, ihre Gereiztheit zu verbergen. Ich entwickle ja einen regelrechten Reflex gegen jede Andeutung von Beschützerhaltung, dachte sie.
Hannah schlief friedlich, als Menley nach Hause kam. »Sie
war großartig«, sagte Amy. »Wollen Sie, daß ich morgen etwa
um dieselbe Zeit komme, Mrs. Nichols?«
»Nein, das ist nicht nötig«, entgegnete Menley sachlich.
»Ich melde mich dann wieder.« Es tat ihr leid, die Bestürzung
in Amys niedergeschlagenem Gesicht wahrzunehmen, aber
sie wußte zugleich, daß sie sich darauf freute, mit Hannah
allein zu sein, bis Adam am nächsten Tag von New York zurückkam.
    Es fiel ihr heute schwerer, einzuschlafen. Nicht, daß sie nervös
gewesen wäre. Sie konnte einfach nicht aufhören, in ihrer Vorstellung durch all die Bilder und Skizzen in dem Material von
Phoebe Sprague zu gehen. Soweit sie wußte, hatte sie sie doch
kaum angeschaut. Es waren zumeist Skizzen von frühen Siedlern, darunter manche ohne Namen, und von historischen Gebäuden, dazu Grundstückspläne, Segelschiffe – eigentlich ein
beliebiger Mischmasch.
    Konnte es denn sein, daß sie auf eine Zeichnung ohne Namen
gestoßen war und sie im Unterbewußtsein kopiert hatte, als sie
versuchte, sich Kapitän Andrew Freeman vorzustellen? Er sah ja
nicht so ungewöhnlich aus. Viele der Seeleute Anfang des achtzehnten Jahrhunderts hatten kurze dunkle Bärte.
    Und dann hab ich wohl rein zufällig genau sein Gesicht gezeichnet? machte sie sich über sich selbst lustig. Unterbewußt,
unbewußt – schon wieder diese Wörter, dachte sie. Guter Gott,
was ist bloß mit mir los?
    Dreimal stand sie vor zwei Uhr morgens auf und schaute nach
Hannah, doch jedesmal schlief die Kleine fest. In der guten Woche, die wir jetzt hier sind, ist sie schon wieder ein Stück gewachsen, überlegte Menley, während sie die kleine ausgestreckte Hand sacht berührte.
    Endlich spürte sie, wie ihr die Augenlider schwer wurden, und
wußte, daß sie bald einschlafen konnte. Sie machte es sich wieder im Bett bequem und berührte das Kissen von Adam, nach
dem sie sich plötzlich intensiv sehnte. Ob er wohl heute abend
angerufen hatte? Wahrscheinlich nicht – Amy hätte ihr Bescheid
gegeben. Doch weshalb hatte er es nicht gegen halb elf versucht? Er wußte doch, daß sie bis dahin wieder daheim sein
würde.
    Oder ich hätte ihn ja auch anrufen können, dachte Menley. Ich
hätte ihm sagen sollen, daß mir der Abend Spaß gemacht hat.
Vielleicht hatte er Bedenken, mich anzurufen, weil er befürchtete, ich würde mich über die Essenseinladung beklagen.
O Gott, ich möchte einfach wieder ich selbst sein, ich will einfach ganz normal sein.
     
Um vier Uhr brauste der Lärm eines auf sie zurasenden Zuges
durch das Haus.
    Sie war an dem Bahnübergang, versuchte ihn rechtzeitig zu
überqueren. Der Zug kam näher.
Sie fuhr hoch, stopfte sich die Finger in die Ohren, um das
Geräusch abzuwürgen, und stolperte wie wild ins Kinderzimmer. Sie mußte unbedingt Bobby retten.
Hannah schrie lauthals, zappelte mit den Armen und strampelte mit den Füßen die Decken weg.
Der Zug wird sie auch noch töten, dachte Menley und versuchte fieberhaft, in all der Verwirrung einen klaren Gedanken
zu fassen und zur Wirklichkeit zurückzufinden.
Doch dann war es vorbei. Die Eisenbahn verschwand, und das
Klicketiklack der Räder verlor sich in der Nacht.
Hannah schrie.
»Hör auf«, brüllte Menley das Baby an. »Hör auf! Hör auf!«
Hannah schrie noch gellender.
Menley sank zitternd auf das Bett gegenüber vom

Weitere Kostenlose Bücher