Das Haus auf der Brücke
der Bauer sagte, er lasse lieber den Traktor gleich hier, weil er morgen wieder auf die Flußwiese müsse, und so erspare er uns zwei Durchfahrten.
Dafür, daß er uns die zwei Durchfahrten ersparte, setzte er sich zu uns an den Tisch, um sich für den Heimweg zu kräftigen. Er aß von unserer Suppe und von unserem Braten, und es schmeckte ihm wunderbar.
»Wenn Sie einmal ein Schwein billig kaufen wollen«, schlug er uns vor, »könnten Sie es bei mir kaufen.« Und er sagte, seine Schweine seien gute Schweine, lang und schlank. »Und Sie können sie sauber zugerichtet haben, wie vom Metzger, nur viel billiger. Sie haben doch eine Tiefkühltruhe?«
»Noch nicht«, sagte Vater.
Dann gäbe es nichts, wie schnell eine kaufen. Bei einer so großen Familie zahle sich das sofort aus.
Zum Glück mußte der Bauer noch die Schweine füttern und nahm den anderen Mann gleich mit. »Der bleibt heute nacht bei mir«, sagte der Bauer. »Das verspreche ich Ihnen. Sie sollen ja auch Ihre Ruhe haben.« In dieser Nacht hatten wir sie.
Kinder, Kinder, ich weiß nicht, wie ich das sagen soll, aber wenn ihr einmal in einem Haus auf einer Brücke gelebt hättet, wüßtet ihr, was da los ist.
Am schulfreien Samstag klingelte es, und draußen stand der Bierwagen.
»Danke«, rief Vater, »wir haben noch genug Bier.«
»Ja, aber es geht gar nicht darum«, sagte der Fahrer. »Ich muß über die Brücke, zum Bauern, zum Brunntaler Hof.«
Wir waren es schon gewohnt. Wir schoben die Sessel und den Couchtisch auf die Seite und rollten unseren Teppich zusammen.
Der Bierwagen fuhr durch unser Wohnzimmer, und der Fahrer winkte, als er am anderen Ufer war, und rief:
»In zehn Minuten bin ich zurück. Sie können gleich offenlassen.«
Wir ließen offen, und das hätte fast zu einer Katastrophe geführt. Bero spielte nämlich auf dem Fußboden mit einigen Autos. Er spielte Zusammenstoß, wobei er wunderbar das Geräusch von quietschenden Bremsen nachmachte, dann telefonierte er die Polizei herbei und verlangte ein »schimpfendes Polizeiauto«. Darauf spielt er gleich mit »tatü, tatü« das schimpfende Polizeiauto, und wie er gerade im besten Spielen war, und wir alle aufatmeten, daß wir ein wenig Ruhe hatten, näherte sich das Geräusch eines schweren Motorrades.
»Der wird doch nicht...«, sagte Mutti.
Aber bevor sie die Worte noch ganz ausgesprochen hatte, war das Motorrad schon durch unser Zimmer durch. Ich hatte Bero gerade noch wegreißen können. »Was war denn das?« fragte Vater von oben.
»Der Postbote ist durch«, rief ich hinauf. »Wahrscheinlich ein Eilbrief.«
»Also das ist zuviel!« schimpfte der Vater. »Braust da mit hundert Sachen durch unser Wohnzimmer. Da müssen wir etwas unternehmen.«
»Am besten, wir stellen ein Geschwindigkeitsbegrenzungsschild auf«, schlug ich vor. »Auf zehn Stundenkilometer, da achten sie drauf.«
»Doch nicht die unseren hier. Wir müssen auch noch ein Warnschild aufstellen, Straßenenge.«
»Und vielleicht ein Schild: Achtung, Gefahr. Haus auf der Brücke möglicherweise geschlossen.«
»Daß auch diese verdammte Brücke zusammenkrachen mußte«, schimpfte Vater. »Wer denkt denn an so etwas?«
Aber da nahte das Motorradgeräusch schon von der anderen Seite.
Vater lief schnell hinaus und gab Warnzeichen. Dann hatte er noch draußen einen längeren Disput mit dem Eilbriefboten. Ein Wort gab das andere, und zum Schluß schlich der Eilbote mit hängendem Kopf und abgestelltem Motor durch das Wohnzimmer.
»Der prescht mir hier nicht mehr durchs Zimmer«, sagte Vater. »Dem hab’ ich’s gegeben.«
Dann kam der Bierfahrer zurück. Der war wesentlich gemütlicher. Er stellte auch den Motor ab und blieb mitten in unserem Wohnzimmer stehen. »Nichts für ungut«, sagte der brave Mann, »aber früher hielt ich auch immer auf der Brücke und habe da Brotzeit gemacht. Wenn Sie nichts dagegen haben, behalt’ ich diesen schönen Brauch bei.«
Oma riß den Mund auf, Mutti wollte etwas sagen, aber Vater kam ihr zuvor. »Schon gut«,sagte er. »Aber nur, weil Sie so vorsichtig durchgefahren sind.« Darauf sprang der Fahrer vom Wagen, gab uns einige Flaschen Limo und dem Vater einige Flaschen Bier. Und dazu sagte er: »Darauf soll’s mir nicht ankommen. Wer zu mir nett ist, zu dem kann ich auch nett sein.« Und dann zeigte er uns, wie er auf einmal sechs volle Bierkästen tragen konnte.
»Ich bin kein Schwächling«, erklärte er dazu, »Mein Großvater hat seinerzeit ein lahmendes Pferd
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