Das Haus der Donna: Roman (German Edition)
Frühling war in Maine eingezogen. Die Luft war plötzlich viel weicher als noch vor einer Woche. Zumindest empfand es Miranda jetzt so.
Das alte Haus stand unbeirrt mit der Rückseite zum Meer. Die Fenster glänzten golden im Licht der untergehenden Sonne. Es war gut, wieder zu Hause zu sein.
Miranda trat ein und fand Andrew im Studierzimmer – in der Gesellschaft einer Flasche Jack Daniel’s. Ihre gute Laune schwand augenblicklich.
Schwankend sprang er auf. Sie bemerkte, daß es einen Augenblick lang dauerte, bis er sie klar sehen konnte. Er hatte sich seit ein oder zwei Tagen nicht mehr rasiert, und seine Kleidung war zerknittert.
Er war betrunken, und das wahrscheinlich schon seit ein paar Tagen.
»Wo bist du gewesen?« Schlurfend kam er auf sie zu und schlang unsicher die Arme um sie. »Ich habe mir Sorgen um dich gemacht. Ich habe überall herumtelefoniert. Keiner wußte, wo du warst.«
Trotz seiner Whiskeyfahne war seine Besorgnis aufrichtig, das wußte sie. Und obwohl sie seine Umarmung erwiderte, war sie sich nicht darüber im klaren, ob sie ihm die Wahrheit erzählen sollte. Wie weit konnte sie einem Betrunkenen trauen?
»Ich habe Urlaub«, erinnerte sie ihn. »Und ich habe dir eine Nachricht hinterlassen.«
»Ja, und die hat mir gar nichts gesagt.« Er trat einen Schritt zurück, musterte sie und tätschelte ihr den Kopf. »Als der alte Herr ins Institut kam, wußte ich, daß wir in der Tinte sitzen. Ich bin so schnell wie möglich hierhergefahren, aber du warst schon weg.«
»Sie haben mir keine andere Wahl gelassen. Ist er sehr hart mit dir umgesprungen?«
»Nicht schlimmer, als ich erwartet habe.« Andrew zuckte mit den Schultern. Obwohl er vom Whiskey benebelt war, spürte er, daß etwas anders war als sonst. »Was ist los, Miranda? Was hast du gemacht?«
»Ich war ein paar Tage weg.« Mit leisem Bedauern beschloß sie, ihre Erlebnisse für sich zu behalten. »Ich habe Ryan Boldari in New York getroffen.«
Sie wandte sich ab, weil sie eine schlechte Lügnerin war. Und Andrew hatte sie noch nie angelogen. »Er ist jetzt auch wieder in Maine. Er wird ein paar Tage hierbleiben.«
»Hier?«
»Ja, ich... Wir haben ein Verhältnis.«
»Ihr... Oh.« Andrew fuhr sich mit der Zungenspitze über die Lippen und versuchte nachzudenken. »Okay. Das ist aber... schnell gegangen.«
»Eigentlich nicht. Wir haben viel gemeinsam.« Miranda wollte nicht näher auf das Thema eingehen. »Haben die Nachforschungen etwas Neues ergeben?«
»Wir sind auf Schwierigkeiten gestoßen. Wir können die Dokumentation über den David nicht finden.«
Obwohl sie das erwartet hatte, hob sich ihr Magen. Nervös fuhr sie sich durch die Haare. »Du kannst sie nicht finden? Sie müßte bei den Unterlagen sein.«
»Ich weiß, wo sie sein müßte.« Zornig griff er nach der Flasche und goß sich einen weiteren Whiskey ein. »Aber sie ist nicht da. Sie ist nirgendwo im Institut. Ich habe überall nachgesehen.« Er drückte die Finger auf seine Augen. »Die Versicherungsgesellschaft macht Schwierigkeiten. Wenn wir die Dokumentation nicht herbeischaffen, müssen wir den Verlust selbst tragen. Du hast doch die Tests gemacht.«
»Ja«, erwiderte sie vorsichtig. »Ich habe die Tests gemacht. Ich habe das Stück untersucht, und die Dokumentation ist ordentlich abgelegt worden. Das weißt du doch, Andrew. Du hast doch auch daran gearbeitet.«
»Richtig. Na ja, jetzt ist sie eben weg. Die Versicherungsgesellschaft weist den Anspruch zurück, solange sie keine Unterlagen haben. Unsere Mutter droht uns, anzureisen, um selbst zu begutachten, warum wir so unfähig sind. Warum
wir nicht nur ein wertvolles Kunstwerk verlieren, sondern auch noch die Unterlagen darüber. Und Cook überwacht mich mit Argusaugen.«
»Es tut mir leid, daß ich dich mit all dem allein gelassen habe.« Und es tat ihr sogar noch mehr leid, jetzt mit ansehen zu müssen, wie er damit umging. »Andrew, bitte.« Sie trat zu ihm und nahm ihm das Glas aus der Hand. »Ich kann nicht mit dir reden, wenn du betrunken bist.«
Er lächelte nur. »Ich bin noch nicht betrunken.«
»Doch, das bist du.« Sie kannte die Anzeichen. »Du mußt Hilfe suchen.«
Das Lächeln verschwand. Du meine Güte, dachte er. Genau das, was er zur Zeit brauchte. »Was ich benötige, ist ein bißchen Unterstützung und Mitarbeit.« Verärgert schnappte er sich sein Glas wieder und nahm einen tiefen Schluck. »Es mag dir ja leid tun, daß du mich allein gelassen hast, aber genau das ist
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