Das Haus der Donna: Roman (German Edition)
verbrennen könnte. »Wie soll ich bloß den Rest des Tages überstehen? Und erst den Abend?«
»Das wirst du schon schaffen. Ich bin ja bei dir. Wir stehen das zusammen durch.«
Miranda nickte, legte das Buch in ihre Schreibtischschublade und schloß sie ab. Achtundvierzig Stunden, dachte sie. So lange hatte sie Zeit, zu entscheiden, ob sie das Notizbuch der Öffentlichkeit übergeben oder es verbrennen sollte.
Es wird großartig werden. Ich weiß jetzt, wie es funktionieren wird. Alles ist vorbereitet. Miranda hat alles für mich vorbereitet. Alle Leute werden die großartigen Kunstwerke bewundern, Champagner trinken und sich mit Canapés vollstopfen. Und sie wird sich anmutig und kühl unter ihnen bewegen. Die geniale Dr. Jones. Die perfekte Dr. Jones.
Die dem Untergang geweihte Dr. Jones.
Sie wird der strahlende Mittelpunkt sein, sich in den Komplimenten sonnen. Eine großartige Ausstellung, Dr. Jones. Phantastisch arrangiert. O ja, das werden sie sagen, und sie werden es denken, und die Fehler, die sie gemacht hat, die Peinlichkeiten, die sie verursacht hat, werden in den Hintergrund treten. Als ob meine ganze Arbeit nichts gewesen wäre.
Ihr Stern ist wieder dabei, aufzugehen.
Aber heute abend wird er für immer sinken.
Ich habe für heute abend meine eigene Ausstellung geplant, eine, die ihre überstrahlen wird. Ich habe ihr den Titel Tod eines Verräters gegeben.
Ich glaube, sie wird hervorragende Rezensionen bekommen.
28
Niemand sah ihr an, daß sich in ihrem Magen Tausende von Schmetterlingen tummelten. Ihre Hände waren kühl und ruhig, ihr Lächeln fröhlich. In ihrem Innern stolperte sie bei jedem Schritt, stotterte bei jedem Satz, den sie sagte. Aber äußerlich merkte man ihr nichts an.
Sie trug ein langes, schmales, mitternachtsblaues Kleid mit einem hochgeschlossenen Kragen und langen, schmalen Ärmeln. Sie war dankbar dafür, daß es soviel Haut bedeckte, denn ihr war unendlich kalt. Seit Ryan ihr das Notizbuch gegeben hatte, war ihr nicht mehr warm geworden.
Sie beobachtete ihre Mutter, die sich elegant wie eine Kaiserin in einem rosafarbenen Kleid in der Menge bewegte – sie berührte hier einen Arm, ergriff dort eine ausgestreckte Hand, küßte eine Wange. Sie beherrschte vollendet die Kunst, zur richtigen Zeit immer das richtige zur richtigen Person zu sagen.
An ihrer Seite war natürlich ihr Mann, blendend aussehend in seinem Smoking, der weitgereiste Abenteurer mit dem interessanten Aussehen eines Gelehrten. Wie gut sie doch zusammen aussahen, wie perfekt die Jones aus Jones Point doch nach außen wirkten. Kein Makel verunzierte die Fassade. Aber unter dem Glanz war nichts.
Wenn sie es darauf anlegen, sind sie ein großartiges Team, dachte sie. Für das Institut, für die Kunst, für den Ruf der Jones setzten sie sich ein, wie sie es für die Familie nie getan hatten.
Miranda wollte sie dafür hassen, aber sie dachte an das Büchlein und empfand nur Furcht.
Sie wandte sich ab und trat durch den Durchgang.
»Du gehörst in eines der Gemälde hinter dir.« Ryan ergriff ihre Hand. »Du siehst großartig aus.«
»Ich bin vor Angst wie gelähmt.« Kaum waren die Worte aus ihrem Mund, mußte sie lächeln, weil ihr einfiel, daß sie noch vor ein paar Monaten nicht in der Lage gewesen wäre,
irgend jemandem zu sagen, wie ihr zumute war. »Das geht mir in großen Menschenmengen immer so.«
»Dann tun wir doch einfach so, als wenn nur du und ich hier wären. Aber etwas fehlt. Du brauchst Champagner.«
»Ich halte mich heute abend an Wasser.«
»Ein Glas, damit wir uns zuprosten können.« Er reichte ihr eine Champagnerflöte, die er vom Tablett eines vorbeieilenden Kellners genommen hatte. »Auf die äußerst erfolgreichen Ergebnisse deiner Arbeit, Dr. Jones.«
»Es ist schwer, sie zu genießen.«
»Gib dich einfach dem Augenblick hin«, forderte er sie auf. »Es ist ein guter Augenblick.« Er küßte sie leicht auf den Mund. »Ich finde deine Schüchternheit bezaubernd«, flüsterte er ihr ins Ohr. »Und deine Fähigkeit, sie zu verbergen, ist bewundernswert.«
Ihr Blick wurde fröhlicher. »Bist du mit diesem Talent schon auf die Welt gekommen, oder hast du es dir erst später angeeignet?«
»Welches? Ich habe so viele.«
»Das Talent, genau das richtige im absolut richtigen Augenblick zu sagen.«
»Vielleicht weiß ich einfach, was du hören mußt. In der Center Hall wird getanzt. Du hast noch nie mit mir getanzt.«
»Ich bin eine furchtbar schlechte
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