Das Haus der Donna: Roman (German Edition)
nicht ganz zu!«
»Zieh deine Schuhe aus.«
»Wie bitte?«
»Zieh deine Schuhe aus«, wiederholte er. »Ich will, daß du weglaufen kannst, wenn es sein muß, und daß du dir dabei nicht auf den hohen Absätzen den Knöchel brichst.«
Schweigend hielt Miranda sich an ihm fest, um ihre Schuhe auszuziehen. Beinahe hätte sie über den Anblick gelacht, als er einen davon als Waffe in die Hand nahm.
Langsam schob er die Tür auf. Sie öffnete sich einen Spalt, stieß dann aber auf ein Hindernis. Miranda griff erneut unter seinem Arm durch und schaltete das Licht ein.
»O mein Gott!«
Sie erkannte die untere Hälfte des weißen Kleides, das Glitzern der silbernen Schuhe. Da ließ sie sich auf die Knie sinken und schob die Tür so weit mit der Schulter auf, daß sie sich hindurchquetschen konnte.
Elise lag mit dem Gesicht nach unten auf dem Boden. Aus einer Wunde an ihrem Hinterkopf sickerte Blut. Miranda preßte die Finger auf Elises Kehle und spürte einen schwachen Puls. »Sie lebt«, rief sie. »Sie lebt! Ruf einen Krankenwagen. Schnell!«
»Hier.« Er gab ihr ein Taschentuch. »Drück das dagegen. Vielleicht stoppt es die Blutung.«
»Beeil dich doch!« Miranda faltete das Taschentuch zusammen und preßte es auf die Wunde. Ihr Blick fiel auf die Bronzeskulptur Venus. Eine Kopie des Donatello, den Ryan so gern haben wollte.
Noch eine Bronze, dachte sie dumpf. Noch eine Kopie. Noch ein Opfer.
»Miranda, was ...« Andrew drängte sich durch die Tür und blieb abrupt stehen. »Jesus! O Jesus, Elise!« Er kniete sich hin und befingerte die Wunde und ihr Gesicht. »Ist sie tot? O mein Gott.«
»Nein, sie lebt. Ryan holt einen Krankenwagen. Gib mir dein Taschentuch. Ich glaube, die Wunde ist nicht tief, aber ich muß die Blutung stoppen.«
»Wir sollten sie zudecken. Hast du eine Decke oder Handtücher hier?« fragte Annie. »Wir müssen sie warm halten, falls sie einen Schock hat.«
»In meinem Büro ist eine Decke. Dort durch die Tür.«
Annie trat über Andrew hinweg.
»Ich glaube, wir sollten sie umdrehen.« Miranda drückte das frische Taschentuch fest auf die Wunde. »Um nachzusehen, ob sie nicht noch eine andere Verletzung hat. Kannst du das machen, Andrew?«
»Ja.« Vorsichtig stützte er Elises Nacken ab, während er sie herumrollte. Ihre Augenlider flatterten. »Ich glaube, sie kommt zu sich. Außer an der Wunde an ihrem Kopf kann ich nirgendwo Blut sehen.« Er berührte vorsichtig eine Prellung an ihrer Schläfe. »Hier hat sie sich wahrscheinlich den Kopf angeschlagen, als sie zu Boden gestürzt ist.«
»Miranda.« Annie trat wieder ins Zimmer. Ihre Augen waren ganz dunkel, und ihre Stimme klang dumpf. »Ryan braucht dich. Andrew und ich kümmern uns um Elise.«
»In Ordnung. Versucht sie ruhig zu halten, wenn sie zu sich kommt.« Sie stand auf. Annie ergriff sie am Arm.
»Mach dich auf etwas Schlimmes gefaßt«, murmelte sie. Dann trat sie zu Elise und legte die Decke über sie. »Sie kommt schon durch, Andrew. Der Krankenwagen ist unterwegs.«
Miranda lief in ihr Büro. Ein Kankenwagen wird nicht genug sein, dachte sie benommen. Und ein paar Taschentücher reichten nicht aus, um hier das ganze Blut aufzuwischen.
Es bildete einen Teich auf ihrem Schreibtisch und tröpfelte
bereits auf den Teppich hinunter. Und auch das Fenster war von Blutspritzern bedeckt.
Quer über ihrem Schreibtisch lag mit blutgetränktem weißem Hemd Richard Hawthorne.
Der Sicherheitsdienst hielt die Journalisten und die Neugierigen vom dritten Stock fern. Als die Mordkommission eintraf, war alles gesichert, und Elise war bereits auf dem Weg ins Krankenhaus.
Miranda gab immer wieder die gleiche Erklärung ab. Und sie log. Lügen, dachte sie dumpf, sind mir schon zur Gewohnheit geworden.
Nein, sie hatte keine Ahnung, warum Richard oder Elise in ihrem Büro gewesen waren. Nein, sie wußte nicht, warum ihn jemand hatte umbringen wollen. Als sie sie schließlich entließen, ging sie mit zitternden Beinen die Treppe hinunter.
Annie saß auf der untersten Stufe und hatte die Arme um sich geschlungen.
»Darfst du nicht gehen, Annie?«
»Doch, sie haben gesagt, sie wären jetzt mit mir fertig.«
Miranda blickte auf die Wachbeamten an den Durchgängen und auf die Polizisten, die den Flur absuchten. Dann setzte sie sich neben Annie. »Ich weiß auch nicht, was ich mit mir anfangen soll. Ich nehme an, sie reden noch mit Ryan. Andrew habe ich nicht gesehen.«
»Sie haben ihn mit Elise ins Krankenhaus fahren
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