Das Haus der Donna: Roman (German Edition)
sitzen.
Nebel kam auf und verwischte die Konturen der Straße. Miranda schaltete das Radio aus, um sich besser konzentrieren zu können, und beugte sich vor.
Doch in Gedanken ging sie alles noch einmal durch.
Der Anruf aus Florenz, dann der Überfall. John Carter, der schon hinflog, während sie noch warten mußte. Die Bronze war im Safe im Büro ihrer Mutter gewesen. Wer hatte Zugang zu dem Safe? Nur Elizabeth.
Aber ihre Verbindung zu Ryan hatte Miranda eins gelehrt: Schlösser waren dazu da, geknackt zu werden.
Richard hatte Tests durchgeführt – also mußte er irgendwie Zugang zu der Skulptur gehabt haben. Wer hatte mit ihm zusammengearbeitet? Wer hatte die Pistole ins Institut gebracht und sie benutzt?
John? Miranda versuchte, es sich vorzustellen, sah aber immer nur sein braves, besorgtes Gesicht vor sich.
Vincente? Der laute, freundliche, onkelhafte Vincente? Konnte einer von den beiden zwei Kugeln auf Richard abgefeuert und Elise verletzt haben?
Und warum gerade in ihrem Büro, warum bei einem Ereignis, bei dem Hunderte von Menschen die unteren Stockwerke bevölkerten? Warum sollten sie ein solches Risiko eingehen?
Weil es wirkungsvoll war, stellte Miranda fest. Weil es wieder
einmal ihren Namen in die Schlagzeilen brachte. Weil es die Eröffnung der Ausstellung überschattete und alle ihre Anstrengungen und Mühen ruinierte.
Es ging um sie, es konnte gar nicht anders sein. Aber was hatte sie getan, um so viel Animosität und Besessenheit hervorzurufen? Wen hatte sie verletzt? John? Wenn sie endgültig in Ungnade fiel, wenn sie sich aus dem Institut zurückziehen mußte, würde er ihr Nachfolger sein. Das bedeutete Beförderung, ein höheres Gehalt, mehr Macht und Prestige.
War es wirklich so einfach?
Oder Vincente. Er kannte sie am längsten, war ihr immer nahe gewesen. Hatte sie irgend etwas getan, um seinen Neid zu wecken? Ging es um Geld, damit er den Schmuck und die Kleider kaufen, die großen Reisen bezahlen konnte, die seine junge Frau glücklich machten?
Wen gab es sonst noch? Giovanni und Richard waren tot, Elise war im Krankenhaus. Elizabeth ...
Konnte ihre Ablehnung in einen solchen Haß umgeschlagen sein?
Überlaß es der Polizei, sagte sie sich, als sie vor dem Haus hielt, und rollte ihre Schultern, um sich zu entspannen. In weniger als sechsunddreißig Stunden würde sie diesen häßlichen Ball Cook zuwerfen.
Das bedeutete aber, daß sie sich an diesem Abend Stück für Stück überlegen mußte, was sie ihm erzählen konnte. Und was nicht.
Sie griff nach ihrer Aktentasche. Richards Notizbuch war darin, und sie hatte vor, es später Seite für Seite zu lesen. Vielleicht hatte sie ja bei der ersten flüchtigen Durchsicht etwas übersehen.
Sie hielt die Aktentasche über den Kopf, um sich vor dem Regen zu schützen, und lief auf die Haustür zu.
Trotzdem war Miranda vollkommen durchweicht, als sie sie erreichte.
Drinnen fuhr sie sich mit der Hand durch die nassen Haare und rief nach Andrew. Sie hatte ihn seit der Nacht im Krankenhaus nicht mehr gesehen, aber sein Auto stand vor der Tür. Es ist Zeit, dachte sie, daß auch wir beide uns einmal unterhalten.
Es war Zeit, daß sie ihm alles erzählte und ihm vertraute.
Während sie die Treppe hinaufging, rief sie noch einmal seinen Namen. Verdammt, sie wollte endlich aus ihren Kleidern und ein heißes Bad nehmen. Warum antwortete er nicht?
Wahrscheinlich schläft er, dachte sie. Der Mann schlief immer wie ein Toter. Na ja, dann würde sie ihn eben aufwecken. Sie wollte ihm alles sagen, bevor ihre Mutter kam.
»Andrew?« Seine Tür war nicht ganz zu, aber Miranda klopfte trotzdem vorsichtshalber an, bevor sie eintrat. Im Zimmer war es stockdunkel, und ungerührt griff sie nach dem Lichtschalter, um die Deckenlampe einzuschalten. Sie fluchte leise, als die Lampe dunkel blieb.
Verdammt, er hatte schon wieder vergessen, die Birne auszuwechseln. Miranda trat vor, um ihn wachzurütteln – und stolperte dabei über ihn.
»Andrew, um Gottes willen!« Ein Blitz zuckte auf, und sie sah ihn zu ihren Füßen liegen. Er trug immer noch den Smoking vom Abend zuvor.
Es war nicht das erste Mal, daß sie über ihn stolperte, vollständig bekleidet auf dem Boden liegend und nach Alkohol stinkend.
Zuerst stieg Wut in ihr auf, und sie wollte sich einfach umdrehen, weggehen und ihn da liegenlassen. Dann aber siegten Enttäuschung und Kummer.
»Wie konntest du dir das nur antun?« murmelte sie. Sie kniete neben ihm nieder, und hoffte, daß
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