Das Haus der Donna: Roman (German Edition)
gewesen.
Jetzt, während Annie die Spätnachrichten sah und das Buch schloß, mit dem sie sich gerade abmühte, dachte sie wieder einmal an ihre Eltern. Sie beteten Andrew an. Sie hatten natürlich nie von dieser Nacht am Strand erfahren, und auch nicht von dem Kind, das Annie empfangen und verloren hatte.
Kopfschüttelnd verdrängte sie die Gedanken. Sie schaltete den Fernseher aus, ergriff die Teetasse, deren Inhalt kalt geworden war, und trug sie in die Küche.
Gerade wollte sie das Licht ausschalten, als jemand an die Tür klopfte. Annie warf einen Blick auf den Baseballschläger, der neben der Tür lehnte. Genau den gleichen hatte sie hinter der Theke in der Bar stehen. Sie war noch nie in die Verlegenheit gekommen, sie benutzen zu müssen, aber sie gaben ihr ein Gefühl der Sicherheit.
»Wer ist da?«
»Ich bin’s, Andrew. Laß mich rein, ja? Dein Vermieter hat das Treppenhaus nicht geheizt.«
Obwohl sie nicht sonderlich erfreut darüber war, daß er vor ihrer Tür stand, nahm sie die Kette ab, öffnete die Verriegelung und machte ihm auf. »Es ist spät, Andrew.«
»Ach was«, entgegnete er, obwohl sie einen Hausmantel und dicke schwarze Socken trug. »Ich habe gesehen, daß bei dir noch Licht ist. Komm schon, Annie, sei lieb und laß mich rein.«
»Ich gebe dir nichts zu trinken.«
»Ist schon in Ordnung.« Er griff unter seinen Mantel und zog eine Flasche hervor. »Ich habe mir selbst was mitgebracht. Heute war ein langer, schrecklicher Tag, Annie.« Er warf ihr einen mitleidheischenden Blick zu, der ihr fast das Herz zerriß. »Ich will einfach noch nicht nach Hause.«
»Gut.« Verärgert marschierte sie in die Küche und holte ein Glas. »Du bist erwachsen. Wenn du denkst, du mußt trinken, dann tu es eben.«
»Ja, ich muß.« Er schenkte sich ein und hob sein Glas. »Danke. Du kennst vermutlich die Neuigkeiten schon.«
»Ja. Es tut mir leid.« Annie setzte sich auf die Couch und schob Moby Dick unauffällig unter die Kissen, obwohl sie eigentlich nicht wußte, warum es ihr hätte peinlich sein sollen, wenn er das Buch sah.
»Die Polizei glaubt, es sei jemand aus dem Institut gewesen.« Er trank einen Schluck und lachte leise. »Ich hätte nie gedacht, daß ich mal solche Sätze sagen würde. Sie hatten zuerst Miranda und mich im Verdacht.«
»Warum in aller Welt solltet ihr euch selbst bestehlen?«
»Das kommt doch andauernd vor. Die Versicherungsgesellschaft stellt auch Nachforschungen an. Wir werden gründlich durchleuchtet.«
»Das ist bestimmt nur Routine.« Besorgt griff sie nach seiner Hand und zog ihn neben sich auf die Couch.
»Ja, aber die Routine nervt. Ich mochte die Skulptur.«
»Die, die gestohlen worden ist?«
»Sie hat mir etwas gesagt. Der kleine David, der gegen den Riesen antritt und mit seiner Steinschleuder gegen ein Schwert kämpfen will. Mut, den ich nie hatte.«
»Warum bist du immer so hart mit dir?« Zornig wandte sie sich ihm zu.
»Ich wage es nie, gegen Riesen zu kämpfen«, sagte er und griff wieder nach der Flasche. »Ich schwimme nur mit dem Strom und führe Befehle aus. Meine Eltern sagen, es ist Zeit, daß du die Leitung des Instituts übernimmst, Andrew. Und ich antworte brav, wann soll ich anfangen?«
»Du liebst das Institut.«
»Ein glücklicher Zufall. Wenn sie mir befohlen hätten, nach Borneo zu gehen und die Bräuche der Einheimischen zu studieren... Ich wette mit dir, ich wäre jetzt schon ganz schön braun. Elise sagt, es ist Zeit, daß wir heiraten – ich antworte, setz das Datum fest. Sie sagt, ich will mich scheiden lassen – ich frage, Liebling, soll ich den Anwalt bezahlen?«
Ich sage dir, daß ich schwanger bin, dachte Annie, und du fragst mich, ob wir heiraten sollen.
Er betrachtete den Whiskey in seinem Glas und beobachtete, wie sich das Licht der Lampe in der bernsteinfarbenen Flüssigkeit brach. »Ich habe das Sicherheitssystem nie erneuert, weil es mir nicht der Mühe wert schien. Und das ist kein Ruhmesblatt für Andrew Jones.«
»Also trinkst du, weil das einfacher ist, als den Tatsachen ins Auge zu sehen?«
»Vielleicht.« Unvermittelt stellte er das Glas ab, um zu sehen, ob er auch ohne Krücke reden konnte. »Ich habe dir unrecht getan, Annie. Ich habe dir damals nicht so beigestanden, wie ich es hätte tun müssen, weil ich so schreckliche Angst davor hatte, wie sie reagieren würden.«
»Ich möchte nicht darüber reden.«
»Wir haben nie darüber gesprochen, hauptsächlich wohl deshalb, weil ich immer dachte, du
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