Das Haus der Donna: Roman (German Edition)
zu streiten.
Sie hatten sich immer schon über alles mögliche gestritten, erinnerte sich Miranda, während sie in ihren Pyjama schlüpfte. Hatten stets ihre Ansichten, Gedanken und Hoffnungen ausgetauscht. Ohne Andrew hätte sie ihre Kindheit wohl kaum heil überlebt. Solange sie denken konnte, waren sie sich gegenseitig der Anker in stürmischer See gewesen.
Sie wünschte nur, mehr für ihn tun zu können, damit er sich wieder fangen und Hilfe suchen würde. Aber immer, wenn sie ihn auf sein Trinken ansprach, lenkte er ab. Und trank noch mehr. Miranda konnte nur zusehen und ihm beistehen, bis er von der Klippe hinunterstürzte, an deren Rand er sich bewegte. Dann würde sie alles tun, um ihn wieder aufzurichten.
Sie stieg ins Bett, stopfte sich ihre Kissen in den Rücken und nahm sich das Buch vor, in dem sie vor dem Schlafen las. Für manche mochte die wiederholte Lektüre von Homer nicht besonders entspannend sein, aber bei ihr wirkte es immer.
Gegen Mitternacht war ihr Kopf voller griechischer Schlachten und Verrat, und sie dachte nicht mehr an ihre eigenen Probleme. Sie markierte die Seite, legte das Buch weg und schaltete das Licht aus. Kurz darauf schlief sie tief und fest.
So tief jedenfalls, daß sie nicht hörte, wie sich die Tür öffnete und wieder schloß. Und sie hörte auch nicht die Schritte, die auf das Bett zukamen.
Erschreckt wachte sie auf, als sich eine behandschuhte Hand fest auf ihren Mund preßte, sich die andere Hand um ihre Kehle legte und die Stimme eines Mannes leise eine Drohung in ihr Ohr flüsterte.
»Ich könnte dich erwürgen!«
TEIL ZWEI
Der Dieb
Alle Männer lieben es, sich fremdes Eigentum anzueignen.
Das ist ein universelles Verlangen; unterschiedlich ist nur die
Ausführung.
ALAIN RENÉ LESAGE
11
Sie erstarrte. Das Messer. Einen gräßlichen Moment lang glaubte sie die kalte Klinge an ihrer Kehle gespürt zu haben, und ihr Körper wurde schwach vor Entsetzen.
Es mußte ein Traum sein. Sicher träumte sie. Aber sie konnte Leder riechen und den Mann, sie spürte den Druck an ihrer Kehle, der sie zwang, nach Luft zu ringen, und sie fühlte die Hand, die sich über ihren Mund preßte. Sie konnte einen Schatten erkennen, die Umrisse eines Kopfes, die Schultern.
All das nahm sie innerhalb von Sekunden wahr, die ihr wie Stunden vorkamen.
Nicht noch einmal, gelobte sie sich. Nie wieder.
Instinktiv ballte sich ihre rechte Hand zur Faust und stieß sie unter der Decke hervor. Aber entweder war er schneller, oder er konnte Gedanken lesen, denn er fing die Bewegung sofort ab, und sie landete nur einen harmlosen Schlag auf seinen Oberarm.
»Beweg dich nicht und sei still«, zischte er und schüttelte sie ein wenig. »So gern ich dir auch Schmerzen bereiten möchte, ich tue dir nichts. Dein Bruder schnarcht übrigens in seinem Zimmer, und es ist unwahrscheinlich, daß er dich schreien hört. Außerdem schreist du gar nicht, oder?« Seine Finger glitten über ihre Kehle, und bei der streichelnden Bewegung seines Daumens fuhr ihr ein Schauer über den Rücken. »Das ist doch gegen deinen Yankee-Stolz, nicht wahr?«
Sie murmelte etwas in seine behandschuhte Hand. Er zog sie von ihrem Mund weg, packte aber gleichzeitig ihre Kehle fester. »Was wollen Sie?« fragte sie.
»Ich würde dich am liebsten in deinen prächtigen Hintern treten. Verdammt noch mal, Dr. Jones, du hast es verdorben!«
»Ich weiß nicht, wovon Sie reden.« Es fiel ihr schwer, ihren Atem unter Kontrolle zu halten, aber es gelang ihr. Auch das
hatte etwas mit Stolz zu tun. »Lassen Sie mich los! Ich werde nicht schreien.«
Sie würde es schon deshalb nicht tun, weil Andrew es womöglich hörte und hereinkam. Und wer auch immer hier auf ihrem Bett sitzen mochte, er war vielleicht bewaffnet.
Nun, dachte sie, dieses Mal bin ich auch bewaffnet. Wenn es ihr gelänge, an die Schublade ihres Nachttisches zu kommen und ihre Pistole herauszuholen.
Der Mann setzte sich auf die Bettkante, wobei er sie immer noch festhielt, und schaltete die Nachttischlampe ein. Sie blinzelte, als das Licht anging, dann riß sie entgeistert die Augen auf.
»Ryan?«
»Wie konntest du nur einen so dummen, unprofessionellen Fehler machen?«
Er war ganz in Schwarz gekleidet und trug enge Jeans, Stiefel, einen Rollkragenpullover und eine Bomberjacke. Er sah genauso gut aus wie immer, aber seine Augen blickten nicht so warm und liebevoll wie beim letzten Mal. Eher wütend, ungeduldig und eindeutig gefährlich.
»Ryan«, stieß sie
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