Das Haus der Donna: Roman (German Edition)
London«, fuhr er fort, trat zurück und ließ Charles eintreten. Dann blickte er zur Treppe, wo Miranda immer noch wie angewurzelt stand und ihn ansah, als habe er auf einmal zwei Köpfe bekommen.
»Miranda war so liebenswürdig, mir ein wenig von ihrer Zeit zu opfern. Miranda, meine Liebe.« Er setzte ein albernes, unterwürfiges Lächeln auf und streckte ihr die Hand entgegen.
Sie wußte nicht, was sie fassungsloser machte – das Welpenlächeln oder der britische Oberklassenakzent, der ihm von der Zunge glitt, als ob er der königlichen Familie entstammte.
»Pettebone?« Charles runzelte die Stirn, während Miranda immer noch dastand wie eine ihrer Statuen. »Rogers Sohn?«
»Nein, er ist mein Onkel.«
»Onkel? Ich wußte gar nicht, daß Roger Geschwister hat.«
»Einen Halbbruder, Clarence. Meinen Vater. Darf ich Ihnen den Mantel abnehmen, Dr. Jones?«
»Ja, danke. Miranda, ich war gerade im Institut. Man hat mir gesagt, daß du dich heute nicht wohl fühlst.«
»Ich war ... Kopfschmerzen. Nichts...«
»Nun sind wir doch ertappt worden, Liebling.« Ryan ging die Treppe hinauf und ergriff ihre Hand. »Ich bin sicher, daß dein Vater das versteht.«
»Nein«, entgegnete Miranda entschieden, »das tut er sicher nicht.«
»Es ist alles meine Schuld, Dr. Jones. Ich bin nur ein paar Tage hier.« Er unterstrich seine Worte, indem er liebevoll Mirandas Fingerspitzen küßte. »Leider habe ich Ihre Tochter dazu überredet, daß sie sich heute frei nimmt. Sie hilft mir bei meinen Untersuchungen über die flämische Kunst des siebzehnten Jahrhunderts. Ohne sie wüßte ich überhaupt nicht weiter.«
»Ich verstehe.« Charles’ Blick spiegelte deutlich seine Mißbilligung wider. »Es tut mir leid...«
»Ich wollte gerade Tee machen«, unterbrach Miranda ihn. Sie brauchte einen Augenblick Zeit, um ihre Gedanken zu ordnen. »Wenn du uns bitte entschuldigen würdest, Vater. Warum wartest du nicht im Salon? Wir brauchen nicht lange. Rodney, du hilfst mir doch, nicht wahr?«
»Aber liebend gern.« Er lächelte sie strahlend an, während sie seine Hand fast zerquetschte.
»Hast du den Verstand verloren?« zischte Miranda, sobald sie in der Küche waren. »Rodney J. Pettebone? Wer, zum Teufel, ist das?«
»Im Moment bin ich das. Ryan ist doch gar nicht hier, erinnerst du dich?« Er kniff sie ins Kinn.
»Du hast vor meinem Vater so getan, als ob wir die Schule schwänzen. Du liebe Güte!« Sie nahm den Kessel vom Herd und trat damit an die Spüle. »Und nicht nur das, sondern daß wir hier backe, backe Kuchen spielen!«
»Backe, backe Kuchen.« Er konnte nicht widerstehen und schlang von hinten die Arme um sie. »Du bist so süß, Miranda.«
»Ich bin nicht süß, und ich bin auch nicht glücklich über diese alberne Lüge.«
»Nun, vermutlich hätte ich ihm sagen sollen, daß ich die Bronze gestohlen habe. Dann könnten wir ihm erklären, daß sie eine Fälschung ist und daß das Institut im Moment Versicherungsbetrug begeht. Irgendwie fand ich es aber angebrachter, so zu tun, als spieltest du mit einem britischen Kerl backe, backe Kuchen.«
Sie biß die Zähne zusammen und wärmte die Teekanne an. »Warum denn gerade ein Engländer, um Gottes willen?«
»Es fiel mir gerade so ein. Ich dachte, das könnte vielleicht dein Typ sein.« Er lächelte sie gewinnend an, doch sie warf ihm über die Schulter einen vernichtenden Blick zu. »Es ist doch so, Miranda. Dein Vater ist hier, er war im Institut, und offensichtlich will er ein paar Fragen beantwortet haben. Du mußt dir genau überlegen, was du ihm sagst.«
»Glaubst du, das weiß ich nicht? Sehe ich so aus, als sei ich blöd?«
»Überhaupt nicht, aber du bist ein von Grund auf aufrichtiger Mensch. Lügen will gelernt sein. Du mußt ihm alles sagen, was du weißt, bis zu dem Punkt, als ich dich heute früh am Bett besucht habe.«
»Das wäre mir auch von allein eingefallen, Rodney.« Doch bei dem Gedanken an die Lügerei hob sich ihr Magen bereits.
»Du hast nur knapp drei Stunden geschlafen. Deine Reaktionen sind verlangsamt. Wo sind die Tassen?« Er öffnete einen Schrank.
»Nein, die sind nicht so schön.« Miranda wedelte abwesend mit der Hand. »Hol bitte das gute Porzellan aus der Anrichte im Eßzimmer.«
Ryan zog die Augenbrauen hoch. Das gute Porzellan war für Besuch, nicht für die Familie. Eine weitere Erkenntnis über
Miranda Jones. »Ich hole nur zwei Tassen. Ich glaube, Rodney hat gemerkt, daß dein Vater gern unter vier Augen mit dir
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